Güssing gibt Gas

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Seit einem Vierteljahrhundert sorgt Güssing mit seiner Biomasse-Forschung für nationale und internationale Beachtung. Nun sorgt die Klima- und Energie-Modellregion "ökoEnergieland" mit dem Leitprojekt "Biogas zum Heizen und Tanken" erneut für Aufsehen. Noch heuer wird mit der Errichtung des ersten österreichischen Biogas-Netzes begonnen.

Gras ist Treibstoff für die Kuh oder aber – in Biogas umgewandelt – Treibstoff für Kraftfahrzeuge und Brennstoff für die Beheizung von Wohnräumen. Schon heute produzieren in der Region vier Anlagen aus Grünschnitt und Zwischenfrüchten Biogas und Dünger, zwei weitere sind geplant. Sie sollen neun Biogastankstellen sowie ein im Endausbau 250 Kilometer langes Biogas-Leitungsnetz versorgen. Mit diesem Leitprojekt will der Projektträger – der Verein ökoEnergieland, in dem sich 18 Gemeinden der Bezirke Güssing und Oberwart zusammengeschlossen haben – auch der Bevölkerung in den zahlreichen Streusiedlungen eine Möglichkeit des umweltfreundlichen Heizens und Autofahrens bieten.

 

Biogas für Streusiedlungen. "Die meisten Gebäude in den zentralen Lagen sind längst an die Biomasse-Fernwärme angeschlossen. Mit den weitaus kostengünstigeren Gasleitungen können wir auch Gebäude in kleineren Siedlungen mit umweltfreundlicher Energie versorgen", erklärt Reinhard Koch, seines Zeichens Geschäftsführer des Europäischen Zentrums für erneuerbare Energie (EEE), Vorstand des Vereins ökoEnergieland und KEM-Manager der Klima- und Energie-Modellregion ökoEnergieland.

 

"Insgesamt haben wir ein Potenzial von rund 6.000 Haushalten und hoffen, dass wir die Hälfte von einem Biogas-Anschluss überzeugen können", sagt Koch. In der ersten Ausbaustufe werden heuer die Biogasanlagen in Heiligenkreuz im Lafnitztal und Strem miteinander verbunden. Die Verbindungsleitung dient gleichzeitig der Versorgung dazwischen liegender Gebäude in fünf Gemeinden. In jedem größeren Ort der Region soll eine Möglichkeit geschaffen werden, Biogas zu tanken. Fünf bis zehn Prozent der Fahrzeuge aus der Region mit "BioErdgas" zu betreiben, lautet das Etappenziel. Aber gibt es auch genug Biogas, falls das Interesse der Bevölkerung größer ausfällt als erwartet? "Ja", meint Koch, "dann produzieren wir einfach weniger Strom aus Biogas."

 

Systemwechsel. Biogas besteht zu 55 Prozent aus Methan und zu 45 Prozent aus CO2.

 

Das Biogas für den Tank wird in Güssing aufbereitet, sodass es einen Methangehalt von 96 bis 97 Prozent erreicht – vergleichbar jenem von Erdgas. So kann es in für Erdgasbetrieb konstruierten Fahrzeugen, aber auch in benzingetriebenen Autos mit nachträglich eingebautem Zusatztank eingesetzt werden. "Für Heizzwecke ist eine Aufbereitung nicht nötig", erläutert Koch. "Dazu hat unser Kooperationspartner, die Firma Viessmann, eine Therme entwickelt, die speziell auf Biogas ausgelegt ist."

 

Die lange Tradition des "Modells Güssing" reicht bis in das Jahr 1989 zurück. Von Anfang an galt das Interesse der in der Region reichlich vorhandenen Biomasse – ob fest, flüssig, gasförmig oder vom einen in den anderen Aggregatzustand verwandelt. So beschäftigt sich das EEE intensiv mit der Holzvergasertechnologie. Die Demo-Anlage ist nun bereits seit 13 Jahren erfolgreich in Betrieb. Einen Rückschlag erlitt Güssing allerdings vergangenes Jahr durch den Ausgleich des Biomasse-Heizkraftwerks nach dem Wegfall von Forschungsförderungsmitteln. Doch nun ist das Werk entschuldet und produziert wieder Ökostrom und Wärme.

 

Effizienzpotenziale nützen. Abgeschlossen ist die Untersuchung der Energieeffizienz-Steigerungspotenziale aller öffentlichen Gebäude in den 18 Gemeinden der Klima- und Energie-Modellregion. "Nun geht es um einen Stufenplan für die Finanzierung und die konkrete Planung von Sanierungsmaßnahmen", so der KEM-Manager. Die Volksschule Strem erstrahlt bereits in neuem Glanz.

 

In neues energieeffizientes LED-Straßenlicht gehüllt ist bereits die Gemeinde Heiligenbrunn. In allen anderen Gemeinden des ökoEnergielands wurden schon diverse Straßenzüge und Ortschaften auf LED umgerüstet. In ein bis zwei Jahren soll die Sanierung der Straßenbeleuchtung völlig abgeschlossen werden.

 

Sonnenstrom. Die Klima- und Energie-Modellregion stellte vergangenes Jahr auch ein Photovoltaikprojekt mit BürgerInnenbeteiligung auf die Beine – mit burgenländischen Standorten in- und außerhalb des ökoEnergielands. In Bildein und Strem liefern die ersten beiden von insgesamt 15 Photovoltaikanlagen mit jeweils rund 20 kWp bereits Strom. Die restlichen Anlagen befinden sich in Umsetzung. "Anders als bei bisherigen BürgerInnenbeteiligungs-Modellen übernehmen dabei die jeweiligen Gemeinden die Abwicklung", erläutert Joachim Hacker, Geschäftsführer des EEE, das auch selbst eine 30kWp -Anlage betreibt. In der Nachbargemeinde Strem wird derzeit am Gelände der Biogasanlage eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung im Megawatt-Bereich geplant.

 

E-Mobilität. In Güssing, Strem und Großmürbisch sind auch schon die ersten zweispurigen Elektrofahrzeuge im Einsatz. Drei Fahrzeuge des EEE dienen einerseits Demonstrationszwecken im Zuge des "ökoEnergietourismus", andererseits auch als Firmenautos. Darüber hinaus wurden rund 130 E-Bikes angeschafft, vor allem zur touristischen und privaten Nutzung.

 

Güssing und Strem betreiben jeweils ein elektrisches Gemeinde-Fahrzeug. In Strem dient das E-Mobil auch als rollender Nahversorger. "Damit werden sowohl Waren geliefert als auch Seniorinnen und Senioren zu Geschäften chauffiert", weist Hacker auf den zusätzlichen sozialen Nachhaltigkeitseffekt hin.

 

Ökotourismus. All die Aktivitäten rund um die Biomasse haben aus der einst tourismusschwachen Region inzwischen ein beliebtes Ziel für den Ökoenergie-Tourismus gemacht. Die Gemeinden reagierten unter anderem mit einem Radwege-Netz und bieten den aus der ganzen Welt angereisten Öko-TouristInnen neben Besichtigungstouren zu den diversen technischen Anlagen auch Pakete mit klassischem Sightseeing sowie Erholung im Naturpark Weinidylle.

 

Nun möchte man in Güssing noch einen Schritt weitergehen. Die Gäste sollen nicht nur zur Besichtigung kommen, sondern auch zur Aus- und Weiterbildung – von kurzen Schulungen bis hin zu Kursen auf akademischem Niveau. Dazu laufen die Planungen für einen Forschungscampus mit einer Investitionssumme von rund 200 Millionen Euro. "Wenn alles klappt, kann bereits im Herbst mit dem Bau begonnen werden", so Reinhard Koch.

 

Weitere Informationen und Kontakt:
www.oekoenergieland.at
www.eee-info.net