Energie aus Abwasser

Österreichs Kläranlagen sind für rund ein Prozent des heimischen Stromverbrauchs verantwortlich. Durch Betriebsoptimierung, Klärgas- und Abwärmenutzung sowie durch weitere Maßnahmen können größere Kläranlagen jedoch energieautark werden. Wie das funktioniert, zeigt das vom Klima- und Energiefonds geförderte Forschungsprojekt „Abwasserenergie – Einbindung der abwassertechnischen Infrastruktur in regionale Energieversorgungskonzepte“ auf.

Seit Herbst 2012 werden die Betriebsgebäude der STADTwerke Amstetten nicht mehr mit Erdgas und das Kraftwerk nicht mehr mit Strom beheizt. Stattdessen entzieht ein 42 Meter langer Wärmetauscher dem Sammelkanal des Gemeindeabwasserverbands Wärme. Eine Wärmepumpe mit 228 Kilowatt Leistung nutzt diese Energie zum Heizen und Kühlen. Nach einem Umbau kann in der Übergangszeit das aus dem Kanalwärmetauscher gewonnene Heizungswasser mit 27 °C auch direkt – also ohne Wärmepumpe – zum Heizen eingesetzt werden. Die Wärmeabgabe erfolgt über Fußbodenheizungen. Bereits im ersten Betriebsjahr erzielte die Anlage eine Ersparnis von 20.500 Euro und wird sich damit in rund 12 Jahren amortisieren. Die CO2-Emissionen konnten um knapp drei Viertel oder 55 Tonnen CO2 pro Jahr reduziert werden.

 

Reichlich Potenzial. „Unser Forschungsprojekt, aber auch Studien aus der Schweiz und Deutschland zeigen ein hohes Potenzial für Wärme aus Abwasser auf“, erklärt Projektleiter Franz Zach von der Österreichischen Energieagentur. „Bei bivalenter Auslegung der Wärmepumpen könnte mit dem Abwasser aus kommunalen Kläranlagen theoretisch jede achte Wohnung mit Wärme versorgt werden.“

 

In der Schweiz, die mit hunderten realisierten Beispielen eine Vorreiterrolle bei der Energie aus Abwasser einnimmt, sind manche Anlagen bereits seit 30 Jahren zufriedenstellend in Betrieb. Einige Kantone berechneten bereits, wie viel Wärme den Kanälen entzogen werden darf, ohne die Reinigungsleistung der jeweiligen Kläranlagen zu beeinträchtigen. Denn die Mikroorganismen in den Klärbecken können das Abwasser bei zu niedrigen Temperaturen nicht mehr ausreichend reinigen. Im Kanton Luzern wurden beispielsweise acht Abwasserreinigungsanlagen untersucht, und es ergab sich ein nutzbares Potenzial von 23 Gigawattstunden im Jahr, ohne die Leistung der Anlage zu schmälern.

 

Forschung in KEMs. Ein ähnliches Projekt wie in Amstetten wurde bereits im Jahr 2009 in Weiz umgesetzt. Im Unterschied zu Amstetten wird dabei das gereinigte Abwasser aus dem Kläranlagenablauf zur Energiegewinnung genutzt. Zwei Wärmepumpen stellen die Heiz- und Kühlenergie für die Pichler Werke der Energie Steiermark sowie das Autohaus Harb bereit. Für wartungsbedingte Ausfälle des Abwasserzuflusses verfügen beide Gebäude über Pufferspeicher.

 

Im Rahmen des Forschungsprojekts „Abwasserenergie“ werden derzeit die Energiepotenziale der Kläranlagen in Freistadt, Hall in Tirol und in Gleisdorf untersucht – ebenso wie deren potenzielle Energieabnehmer in der Region. „Die Kläranlagen in den Klima- und Energie-Modellregionen Amstetten Nord, Freistadt und Start up Energieregion Weiz-Gleisdorf bieten  ein interessantes Forschungsfeld“, meint Christoph Wolfsegger, Programm- und Researchmanager im Klima- und Energiefonds. „Die Ergebnisse des Forschungsprojekts liefern aber auch wertvolle Anregungen für alle anderen KEMs.“

 

Das Projekt „Abwasserenergie“ läuft von April 2013 bis März 2016 und wird vom Klima- und Energiefonds mit 70 bis 80 Prozent der Kosten gefördert. Neben der Österreichischen Energieagentur sind die Universität für Bodenkultur Wien, AIT - Energy Department, TU Graz, InfraWatt und Ochsner Wärmepumpen in das Projekt involviert.

 

Wärmequelle Kanal. Prinzipiell gibt es mehrere Möglichkeiten, die Abwasseraufbereitung energieeffizienter zu gestalten. Welche Maßnahmen sinnvoll sind, hängt immer von den örtlichen Gegebenheiten ab. Der Kanal kommt als Energielieferant in Frage, wenn er einen Trockenwetterabfluss von mindestens 10 Litern pro Sekunde aufweist. Diese Menge Abwasser kommt meist auch in Hauptsammelkanälen von Gemeinden mit 5.000 bis 10.000 EinwohnerInnen zusammen. Bei der Nutzung des Abwassers vor der Kläranlage ist jedoch zu untersuchen, ob die Temperaturabsenkung des Schmutzwassers nicht die Reinigungsleistung der Kläranlage beeinträchtigt.

 

Die größte Energiemenge lässt sich in der Regel aus dem gereinigten Abwasser der Kläranlage ziehen. Bei dieser Variante fallen auch die Reinigungs- und Wartungskosten für den Wärmetauscher geringer aus als im Kanal.

 

Klärgas. Für größere Kläranlagen mit einem Einwohnerwert ab etwa 20.000 rentiert sich meist die Errichtung eines Faulturms zur Gewinnung von Klärgas. Durch Kofermentation kann die Klärgasausbeute noch deutlich gesteigert werden. Dabei werden dem Klärschlamm flüssige oder feste Biomasse zugesetzt – zum Beispiel Speisereste oder Speiseöl aus der Gastronomie. Das gewonnene Klärgas kann in einem Blockheizkraftwerk in Strom und Wärme verwandelt werden.

Betriebsoptimierung. Die meisten österreichischen Kläranlagen weisen auch Effizienzsteigerungspotenziale im Betrieb auf. Ansatzpunkte dazu sind beispielsweise alle Pumpen, die Luftzufuhr in das Belebungsbecken, eine Abwärmegewinnung aus den Gebläsen, die Nutzung des Klärgases sowie eine Dämmung des Faulturms. Fast jede Kläranlage verfügt auch über ausreichende Flächen für Photovoltaikanlagen, die den Strombedarf in der Anlage zu einem Großteil abdecken können.

 

Indirekt lässt sich auch durch die Rückgewinnung von Phosphor aus dem Klärschlamm Energie sparen. Denn der Abbau von phosphathältigem Gestein ist überaus energieintensiv. Da mit einem weiteren Anstieg der Phosphorpreise zu rechnen ist, könnte eine Rückgewinnung aus Klärschlamm schon bald wirtschaftlich werden.

 

Raumplanung. Eine entscheidende Bedeutung kommt auch der Raumplanung zu. Denn Sammelkanäle und Kläranlagen können natürlich dann am effizientesten Energie liefern, wenn deren AbnehmerInnen nicht allzu weit weg situiert sind. „Bei größeren Wärmemengen kann aber auch der Transport der Fernwärme über einige Kilometer wirtschaftlich sinnvoll sein“, so Zach.

 

Förderungen. Zahlreiche Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz von Kläranlagen oder deren Nutzung zur Produktion erneuerbarer Energie werden über die Umweltförderung im Inland unterstützt. Städte und Gemeinden sind derzeit nicht antragstellungsberechtigt, sehr wohl aber Unternehmen der Kommunen. Relevant sind vor allem die Förderbereiche energetische Nutzung biogener Roh- und Reststoffe, Wärmepumpen, thermische Solaranlagen, Energiesparen in Betrieben sowie Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von bis zu bis fünf Kilowattpeak. Die Photovoltaikförderung des Klima- und Energiefonds im Rahmen der KEM-Ausschreibung kann auch für Sonnenstromanlagen auf Kläranlagen bezogen werden.

 

Energieautarke Kläranlage. Werden alle Möglichkeiten ausgeschöpft, können größere Kläranlagen heute bereits energieautark betrieben werden oder sogar mehr Energie bereitstellen, als sie selbst benötigen. So ist beispielsweise die Kläranlage des Wasserverbandes Millstätter See seit 2011 energetischer Selbstversorger. Das Klärgas wird in zwei Blockheizkraftwerken hocheffizient genutzt, auf der Komposthalle wurde eine PV-Anlage mit einer Leistung von 150 kWpeak installiert, und das Gefälle im Ablauf der Kläranlage ermöglichte zusätzlich die Errichtung eines kleinen Abwasserkraftwerks mit 2 kW Leistung.

 

Weitere Informationen:
www.abwasserenergie.at
Umweltförderungen für Betriebe