Große Zukunft für kleine Windräder

Kleinwindkraftanlagen können an geeigneten Standorten wirtschaftlich eingesetzt werden, wenn man den Strom selbst verbraucht. Das sind die Ergebnisse eines langjährigen, vom Klima-und-Energiefonds geförderten Forschungsprojekts. Nun geht es darum, Hürden zu beseitigen, die einer kräftigen Entwicklung dieses jungen Marktes entgegenstehen.

Heuer im Mai wurde das im Jahr 2010 gestartete Projekt „Kleinwindkraftanlagen: Qualitätssicherung, Netzeinbindung, Geschäftsmodelle und Information“ erfolgreich abgeschlossen. „Wir haben elf Anlagen auf Herz und Nieren getestet“, erklärt Kurt Leonhartsberger vom Institut für Erneuerbare Energie an der Fachhochschule Technikum Wien. „Knapp die Hälfte der getesteten Anlagen haben ausgezeichnete Ergebnisse geliefert.“ Das Projekt wurde vom Klima- und Energiefonds gefördert, von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG abgewickelt und von der ÖGUT – Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik – gemeinsam mit zahlreichen Partnern* umgesetzt.

 

Freiluft-Prüfstand. Zentrum des Geschehens war der eigens errichtete Energieforschungspark Lichtenegg in der Klima- und Energie-Modellregion Bucklige Welt - Wechselland. Gemessen wurden hier nicht nur die Leistungskennlinie, der Ertrag und die Verfügbarkeit der Anlagen, sondern auch die Qualität des eingespeisten Stroms. Denn die Netzbetreiber waren besorgt, dass Kleinwindkraftanlagen Störungen im Netz – zum Beispiel harmonische Oberwellen oder Flicker – verursachen könnten. Doch nun können Wissenschaft, Herstellerfirmen und Netzbetreiber zufrieden feststellen: Alles im grünen Bereich.

 

Zur Weiterführung nach Projektende wurde die ARGE Energieforschungspark Lichtenegg gegründet. Sie stellt sicher, dass Herstellerfirmen aus verschiedenen Ländern weiterhin ihre Windkraftanlagen in Niederösterreich testen können, aber auch, dass Interessierten eine Anlaufstelle mit Informationen aus erster Hand zur Verfügung steht. Besichtigungstermine für Privatleute, Institutionen und Schulklassen können der Homepage des  Energieforschungsparks entnommen werden. Auf dem Programm steht übrigens auch die Besteigung der großen Windkraftanlage mit Aussichtsplattform.

 

Experimentierfeld Stadt. Aufbauend auf den Projektergebnissen startete das Institut für Erneuerbare Energie im Oktober 2014 ein weiteres Forschungsprojekt zum Thema urbane Windenergie. Dabei sollen die Grundlagen für die technische Beurteilung des Einsatzes von Kleinwindkraftanlagen im städtischen Raum geschaffen werden. Vor allem turbulente Strömungsbedingungen oder erhöhte Sicherheitsanforderungen stellen die Technik vor neue Herausforderungen. Als Versuchsobjekte dienen jeweils ein Vertikalläufer und ein Horizontalläufer auf der ENERGYbase in Wien-Floridsdorf und im Energieforschungspark Lichtenegg.

 

„Kleinwindkraft ist eine interessante Möglichkeit, Strom dezentral und näher bei den VerbraucherInnen zu erzeugen“, erläutert Elvira Lutter, Programm- und Research-Managerin des Klima- und Energiefonds. „Auf dem Weg zu marktfähigen Technologien sind allerdings noch einige Herausforderungen zu lösen, an denen die Wissenschaft fieberhaft arbeitet.“

 

Nebenwirkungen. Als potenzieller Konfliktstoff gilt der Lärm. Allerdings säuseln die leisesten Kleinwindkraftanlagen heute nur mehr mit 35 dBA – das liegt weit unter dem Schallpegel des Straßenlärms. Nicht ohne sind freilich die Vibrationen eines Windrads am Gebäudedach. Das konnte man unmittelbar nach der Errichtung der Kleinwindkraftanlagen im obersten Stockwerk der ENERGYbase deutlich spüren. „Inzwischen wurde die Windkraftanlage schwingungsentkoppelt und das Problem damit beseitigt“, berichtet Leonhartsberger. „Nicht unterschätzt werden darf auch der Schattenwurf von Windkraftanlagen. Schließlich soll das Sonnenlicht für das Nachbarhaus nicht durch die Rotorblätter beeinflusst werden. Selbst das permanente Licht-Schattenspiel auf gegenüberliegenden Fassaden kann als unangenehm erlebt werden.“ Die Ergebnisse des Projekts sollen in ein Standort-Bewertungsschema für die Errichtung von Kleinwindkraftanlagen im urbanen Raum einfließen.

 

Internationales Gütesiegel. Um künftig für mehr Transparenz bei  Kleinwindkraftanlagen zu sorgen, arbeitet das Technikum Wien mit internationalen Forschungseinrichtungen im IEA Wind Task 27 (einem Forschungsprogramm der International Energy Agency) an einem Gütesiegel für Kleinwindkraftanlagen. Dieses soll international einheitliche und vereinfachte Zertifizierungsverfahren für Kleinwindkraft-Anlagen ermöglichen.

 

„Das nun abgeschlossene Projekt beweist eindrucksvoll, wie wichtig die Unterstützung der Forschung im Bereich der erneuerbaren Energie ist“, freut sich Ingmar Höbarth, Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds. „Jeder eingesetzte Euro löst ein Vielfaches an Investitionen in Zukunftstechnologien aus. Wenn es gelingt, die Kleinwindkraft stadttauglich zu machen, könnte sie einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende leisten.“ Denn Wind weht auch nachts und bei bewölktem Himmel – und so bildet die Windkraft eine perfekte Ergänzung zur Photovoltaik.


* FH Technikum Wien, EVN AG, AEE - Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie NÖ-Wien, Solvento Energy Consulting GmbH, energiewerkstatt, Technisches Büro und Verein zur Förderung erneuerbarer Energie-Modellregionen, WICON Engineering GmbH 


Weitere Informationen:
Energieforschungspark Lichtenegg
Handbuch Kleinwindkraft
Forschungsschwerpunkt Erneuerbare Energie an der FH Technikum Wien