Lenkrad, Pedale oder Bus?

Mobilitaetsumfrage

Die Klima- und Energie-Modellregion (KEM) Naturparkregion Lechtal-Reutte führte gemeinsam mit der Regionalentwicklung Außerfern eine bezirksweite Mobilitätsbefragung durch. Sie zeigt die Dominanz des Autos im nordwestlichsten Bezirk Tirols. Gleichzeitig signalisiert die Bevölkerung großes Interesse am Fahrrad und an E-Carsharing.

Das Auto ist im heiligen Land Tirol gleichzeitig eine heilige Kuh und ein massives Ärgernis, besonders wenn es als Transit-LKW oder als touristische Blechlawine daher kommt. Selbst fühlt sich die Bevölkerung des Außerferns jedoch mehrheitlich auf das Auto angewiesen. 35 Prozent der Haushalte in Reutte und Umgebung haben gleich zwei davon. In etwas größerer Entfernung von der Bezirkshauptstadt sind es sogar 43 Prozent – und dort sind auch Haushalte mit drei oder vier Autos keine Seltenheit (9 bzw. 11%).

Allein im Auto? 77 Prozent der 1.372 Befragten sitzten täglich oder mehrmals die Woche hinter dem Lenkrad. Die meisten von ihnen haben dabei viel Platz im Wagen, denn nur ein knappes Viertel der Umfrage-Teilnehmer:innen fährt regelmäßig mit einem Auto mit. Und bei fremden Menschen mitzufahren ist für 56 Prozent der Männer und 58 Prozent der Frauen ein No-Go. „Das hat uns auch ein wenig verwundert, weil sich vor allem in den kleineren Orten wirklich fast alle kennen“, erklärt KEM-Manager Florian Strigl. „Aber die Bereitschaft, bei anderen mitzufahren, ist doppelt so groß, wenn die Person über eine App verifiziert werden kann – nämlich etwa 40 statt 20 Prozent.“

Strigl ortet daher ein hohes Potenzial für Unternehmen, ihren Mitarbeiter:innen ein energieeffizienteres Mobilitätsverhalten schmackhaft zu machen. Er setzt dabei auf die App von ummadum, mit der Punkte für klimaschonende Mobilität (Gehen, Radfahren, Fahrgemeinschaft) gesammelt und bei zahlreichen Handelspartner:innen eingelöst werden können. Am 1. Dezember startete die kdg Holding im Lechtal ihre Teilnahme an ummadum, am 1. Jänner folgen die Elektrizitätswerke Reutte. Zusammen beschäftigen die beiden Betriebe rund 600 Mitarbeiter:innen. „Wir hoffen, nächstes Jahr weitere Betriebe für die ummadum-App und damit für die Bildung von Fahrgemeinschaften gewinnen zu können“, so Strigl.

Schwieriges ÖV-Terrain. Auch für ein verbessertes öffentliches Verkehrsangebot setzt sich der KEM-Manager ein. Einen Stundentakt gibt es bei der Bahn, aber kaum bei den Regionalbuslinien. Vielerorts kommt der Bus nur alle zwei Stunden, andernorts noch seltener oder gar nicht. Allerdings ist die Bevölkerungsdichte im Bezirk Reutte nicht einmal halb so hoch wie im Tiroldurchschnitt, und es gibt gleich vier Gemeinden mit weniger als 100 Einwohner:innen, die kleinste ist Gramais mit 41.

So nutzen gerade einmal zehn Prozent der Bevölkerung den öffentlichen Verkehr täglich oder mehrmals pro Woche, Schulkinder inklusive. Als Gründe für die Nichtbenützung nennen die Befragten vor allem zu wenige Verbindungen (48%), fehlende Anschlüsse (42%) und die Nicht-Erreichbarkeit des Ziels (38%). Die Jüngeren vermissen Verbindungen am Abend.

Schnellbusse und AST. „Wir werden uns beim Verkehrsverbund Tirol für eine Angebotsverbesserung stark machen, für eine bessere Taktung und eine Beschleunigung der Buslinien“, verspricht Strigl. „Derzeit halten die Busse an jedem Weiler – und so dauert die Fahrt meist doppelt so lange wie mit dem Auto.“ Ihm schweben daher Schnellbuslinien vor, die nur in den größeren Zentralorten halten und von einem Anrufsammeltaxi-System ergänzt werden.

Im Frühjahr 2023 startet in Reutte ein E-Carsharing mit zwei Fahrzeugen, das auch als Vorbild für andere KEM-Gemeinden dienen könnte. Immerhin signalisierte ein Drittel bis mehr als die Hälfte der Teilnehmer:innen Interesse an einem E-Carsharing in ihrer Gemeinde.

Fahrradbegeistert. Sehr fleißig sind die Außerferner:innen beim Radfahren. 13 Prozent besteigen ihren Drahtesel täglich, 24 Prozent mehrmals die Woche. In Reutte und Umgebung werden sogar 22 Prozent der Wege mit dem Rad zurückgelegt (Modal Split) – ein sensationeller Wert angesichts eines Österreichschnitts von nur sieben Prozent. „Wir möchten den Lech-Radweg, die Sicherheit für den Alltagsradverkehr und das Angebot an Rad-Abstellplätzen verbessern“, sagt Strigl. Sehr hilfreich dabei war das Interreg-Projekt PRO-BYKE in Reutte, das vom Klimabündnis Tirol betreut wurde und die bestehende (oder fehlende) Radverkehrsinfrastruktur unter die Lupe nahm. Nun und im nächsten Jahr werden zahlreiche Verbesserungsmaßnahmen umgesetzt.