Nachhaltige Kernspaltung

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greenstarter im Porträt.* Steinobstkerne gelten als landwirtschaftlicher Abfall. Dabei stecken in ihnen wertvolle Rohstoffe für die Kosmetik- und Nahrungsmittelindustrie – ungesättigte Fettsäuren, Proteine und viel Geschmack. Die Kernschalen stellen außerdem eine Alternative zu Mikroplastik dar. Michael Beitl und Luca Fichtinger möchten dieses Potenzial nutzen und gründen dazu die Firma Kern Tec.

Dass eine Geschäftsidee beim Heurigen entsteht, ist in Österreich nicht ungewöhnlich. Dass aber dann ein junger Mann an den Tisch kommt und motiviert ist,  ein Problem zu knacken, an dem die alten Hasen schon lange tüfteln, kommt auch hierzulande nicht jeden Tag vor. Bei den „Hasen“ handelte es sich um Obstbauern. Ihr Problem: Wie kann man Steinobstkerne sinnvoll verwerten? Der junge Mann war der WU-Student Michael Beitl. Nun, etwas mehr als ein Jahr später, ist er bereit, gemeinsam mit Luca Fichtinger die Firma Kern Tec zu gründen.

Harte Schale. „Es ist schon lange bekannt, dass in den Kernen wertvolle ungesättigte Fettsäuren und pflanzliche Eiweiße stecken, doch bislang wurden die Kerne bestenfalls verbrannt“, erklärt Beitl. Die Kernschalen von Kirsche, Marille, Pfirsich und Zwetschken sind sehr hart und können im gemahlenen Zustand als industrielles Strahlmittel oder als Ersatz für Mikroplastik in Kosmetikartikeln wie Peelings und Cremen verwendet werden. Der Heizwert der Schale entspricht jenem von Pellets – und so nutzt Kern Tec diese ungefährliche Art der Kernkraft in einem Blockheizkraftwerk, das die Produktionsstätte energieautark macht.

Weicher Kern. Den wahren Schatz bildet jedoch der Weichkern oder Samen. Dieser landet in der Ölmühle. Ein Marillenkern enthält beispielsweise 53 Prozent Öl. Zurück bleibt ein eiweißreicher Presskuchen. Kirschkerne liefern mit 42 Prozent das meiste Protein. Beides sind wichtige Grundzutaten für die Lebensmittel- und die Kosmetikindustrie. „Vom Müsliriegel bis zum Smoothie, ob Snack oder Creme, die Palette möglicher Einsatzbereiche ist breit. Vorerst suchen wir Abnehmer in der Industrie, möchten später aber auch eigene Produkte mit unseren Ölen und Proteinen entwickeln“, so Beitl.

Im Rahmen eines Projekts an der Wirtschaftsuniversität Wien konnte das Team seine Geschäftsidee 2017 ein halbes Jahr lang entwickeln. Danach ging es an den Bau eines Prototypen zum Knacken und Sortieren der Kerne. Mitte Mai wird es richtig losgehen. 600 Tonnen Obstkerne sollen im ersten Betriebsjahr verarbeitet werden.

Ein gewisses Problem bereitete den Gründern jedoch die Blausäure in den Kernen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten ist es den Gründern gelungen, ein Verfahren zu entwickeln, das erstmals Steinobstkerne für den Snackmarkt zugänglich macht. „Damit sehen wir großes Potenzial für unsere Kerne. Mit einem wunderbaren und ökologischen Produkt kann auch einer Mandel Konkurrenz gemacht werden“, sagt Beitl.

Regionale Wertschöpfung. Der einfachste Weg, um an die Kerne zu gelangen, ist jener zu großen Obstverarbeitungsbetrieben. Michael Beitl und Luca Fichtinger wollen aber auch die über ganz Österreich verstreuten Obstbaubetriebe an der Wertschöpfungskette teilhaben lassen. Daher bauen sie ein System auf, in dem die Kerne regional gesammelt und getrocknet werden. Der Rest der Arbeit wird zentral bei Kern Tec erledigt.

„greenstart hat für uns schon mit einem tollen Welcome Day begonnen. Dass uns unser greenstart-Mentor Florian Kandler zu Investorengesprächen begleitet hat, war sehr hilfreich“, zieht Beitl eine Zwischenbilanz. „Wir hoffen, dass uns die eine oder andere Klima- und Energie-Modellregion helfen kann, in Kontakt mit ihren Obstbauern und -bäuerinnen zu kommen oder sich der natürlichen Kernspaltung vielleicht als Abnehmer anschließt.“

 

* Der KEM-Newsletter stellt in den Ausgaben Februar bis April die Top-10 aus greenstart, der Start-up-Initiative des Klima- und Energiefonds, vor.