„Wer Radinfrastruktur sät, wird Radfahrer:innen ernten“

Koch

Interview. Baden wurde vom Land Niederösterreich als „Radhauptstadt“ gekürt. Das freut KEM-Manager und Energiereferatsleiter Gerfried Koch, der sich seit vielen Jahren für eine sichere Radverkehrsinfrastruktur in seiner Stadt einsetzt.

Das Land Niederösterreich hat unter dem Titel „Radhauptstadt“ seine Städte auf ihre Radfahrfreundlichkeit untersuchen lassen. Baden wurde als Landessieger zertifiziert. Ist Ihre Stadt ein Paradies für Radfahrende?

Wir haben in Baden unser erstes Radverkehrskonzept schon 1985 erstellt und bauen seither das Radnetz und das Angebot an Radabstellplätzen sukzessive aus. Auch in den vergangenen zwei Jahren sind wieder mehrere Kilometer Radwege und Radfahrstreifen dazugekommen. Aber natürlich kann man immer noch besser werden. Ich denke, dass wir im Vergleich zu den meisten anderen niederösterreichischen Städten gut unterwegs sind, aber wir haben noch viel vor uns, und internationale Radhauptstädte wie Kopenhagen oder Groningen bleiben unsere großen Vorbilder.

Wie hoch ist aktuell der Radverkehrsanteil in der Stadt?

Wir führen alle zehn Jahre eine große Verkehrserhebung durch. Der Radanteil liegt zwischen zehn und zwölf Prozent. Zwischen den Erhebungen 2006 und 2016 stieg der Radverkehr um 15 Prozent, und er nimmt weiterhin langsam, aber beständig zu. Auch die Lastenräder werden mehr. In den vergangenen vier Jahren hat die Stadt immerhin 54 Stück gefördert.

Wie viele Kilometer umfasst das Radnetz in Baden?

Wir haben derzeit rund 30 Kilometer Radwege und etwa sechs Kilometer Radfahr- und Mehrzweckstreifen. Entlang von Hauptverkehrsachsen setzen wir, wo es die Platzverhältnisse ermöglichen, auf baulich getrennte Radwege, in Tempo-30-Zonen, wo erforderlich, auf Radstreifen. Vor Ampeln gibt es Aufstellflächen für Radfahrer:innen, sodass diese sicher vor dem motorisierten Verkehr losfahren können. Ich sage da immer: „Wer Radverkehrsinfrastruktur sät, wird Radfahrer:innen ernten.“

In den vergangenen Jahren hat Baden vielerorts auch das Radfahren gegen die Einbahn ermöglicht. In wie vielen Einbahnen?

In über 90 Prozent aller Einbahnen.

Besonders vorbildlich ist Baden bei den Abstellplätzen, ganz besonders am Bahnhof. Wie viele sind es inzwischen?

In der gesamten Stadt haben wir nun 2.100 Abstellplätze, davon 810 beim Bahnhof. 80 Prozent der Radbügel am Bahnhof sind überdacht, zusätzlich gibt es hier 46 Radboxen und 22 Stellplätze in der versperrbaren Radgarage – und das Angebot wird sehr gut angenommen. Wir haben in Baden ja nicht nur 7.000 Auspendler:innen, sondern auch 9.000 Einpendler:innen. Viele Menschen nutzen die Kombination Rad und Bahn. 

Wir sind auch gerade dabei, das Angebot an hochwertigen Radboxen an weiteren Standorten wie dem Strandbad auszubauen. Wir setzten zwei Jahre lang auch mobile Abstellanlagen ein, um den Bedarf an Radbügeln dort zu erheben, wo es noch keine gibt. Aus einigen probeweisen Abstellanlagen wurden inzwischen permanente.

Fühlen Sie sich sicher, wenn Sie mit dem Rad in der Radhauptstadt unterwegs sind?

Ja, aber ich benutze mein Fahrrad schon seit jeher für meine Alltagswege und ich bin auch mit meinen Kindern zum Kindergarten und zur Schule geradelt. Mir ist aber klar, dass es Menschen, die gerade erst mit dem Radfahren anfangen, da anders geht.

Apropos Kinder, sind die Schulwege für die jungen Radfahranfänger:innen sicher?

Ich würde sagen, großteils ja. Die meisten Schulen liegen in Tempo-30-Zonen, wir haben auch einige Bereiche vor Schulen verkehrsberuhigt. Aber die Schulwege sind natürlich sehr unterschiedlich – und nicht jede Schule ist aus jeder Richtung optimal mit dem Rad erreichbar. So gibt es beispielsweise Lücken in Richtung Haidhof-Siedlung oder in den Ortsteil Weikersdorf. Seit vielen Jahren führt die Stadtpolizei auch Radfahrausbildungen in den Volksschulen durch. Alle Viertklässler:innen treten zur Fahrradprüfung an – und die meisten von ihnen erhalten auch den Fahrradführerschein.

Wie gut ist Badens Radnetz mit den Nachbarorten verbunden?

In drei von vier Himmelsrichtungen durchaus gut – ins Helenental im Westen, nach Sooß und Bad Vöslau im Süden und nach Pfaffstätten im Norden. Baden ist auch an den EuroVelo 9 angeschlossen, der von der Ostsee bis zur Adria führt. Zusätzlich haben wir eine Reihe touristischer Radwege. Keinen Radweg gibt es in die östlich gelegene Nachbargemeinde Tattendorf. Dieser wäre sehr teuer und steht aktuell nicht ganz oben auf der Prioritätenliste.

Kann man sich in Baden auch Fahrräder ausborgen?

Selbstverständlich, seit zehn Jahren stehen drei nextbike-Stationen und zwei betreute Radverleihe zur Verfügung. Durch das neue Mobilitätspaket Baden werden ab diesem Frühling weitere 35 E-Bikes und 23 Mountain- sowie Citybikes  an insgesamt zwölf Standorten bereitstehen. Die Räder können ebenso wie die E-Carsharing-Autos und E-Scooter über die Wegfinder-App gebucht werden.

Trotz alledem hat Baden als Landessieger nur drei von fünf möglichen Sternen bei der „Radhauptstadt“-Zertifizierung erreicht. Ist das für Sie eine Enttäuschung oder ein Ansporn?

Ganz sicher ein Ansporn. Die KEM arbeitet gemeinsam mit der Verkehrs- und Bauabteilung daran, die Schlüsselstrecken zu vernetzen, um sicheres Radfahren in allen Stadtteilen zu ermöglichen. Die Stadt hat bereits gewaltige Summen für die Radinfrastruktur bereitgestellt. Aber wir werden auch in den nächsten Jahren noch viel an Hirnschmalz, gutem Willen und Geld investieren müssen.

Vielen Dank für das Gespräch und gute Fahrt!