Raus aus dem Öl, auf in die SONNENWELT

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KEM-Managerin im Porträt. Verena Litschauer sagt in der Klima- und Energie-Modellregion Lainsitztal fossilen Heizsystemen den Kampf an, treibt den Ausbau der Photovoltaik voran und möchte auch die Mobilität auf nachhaltigere Beine stellen. Und sie hat dabei das Glück, in einem Vorzeige-Dorf zu arbeiten.

Im Rahmen des „Raus aus Öl“- Pilot Projekts der Energie und Umweltagentur Niederösterreich (eNu), bei der die KEM Lainsitztal als eine von drei Pilotregionen ausgewählt wurde, stellten sich Verena Litschauer gemeinsam mit ihrem Chef Martin Bruckner, Geschäftsführer der Sonnenplatz Großschönau GmbH und Bürgermeister von Großschönau, besonders ehrgeizige Ziele. „Wir wollten 30 Prozent weniger Ölkessel bis Ende 2022 erreichen, diese Marke haben wir bereits überschritten“, freut sich Litschauer. Insgesamt wurden bislang 120 fossile Heizsysteme auf Biomasse oder Wärmepumpen umgestellt, wodurch Investitionen in der Höhe von 2,1 Millionen Euro ausgelöst wurden. 60 weitere Haushalte haben ihr Interesse an einer Heizungsumrüstung bekundet. Stellen auch diese um, wäre der Bestand an Ölkesseln fast halbiert.

Die intensive Bewerbung und Betreuung durch Verena Litschauer, die Förderung von Bund und Land Niederösterreich sowie die maßgebliche Unterstützung der eNu haben geholfen, die bereits sehr hoch gesteckten Ziele deutlich zu übertreffen. Insbesondere wurde das von der Energie und Umweltagentur Niederösterreich entwickelte Sorglos-Paket in der Region verfeinert und ausgerollt. Dazu wurden neben den örtlichen Energieberatern die Heizungsinstallateure eingeladen, informiert und geschult.

Umstiegshilfe. Die Teilnehmer:innen werden in der Region, individuell aufbereitet von Verena Litschauer, durch die/den eigene(n) Bürgermeister.in gebrieft, erhalten eine kostenlose Projektberatung und werden bei den Förderansuchen und der Angebotseinholung unterstützt. Auch ein Pelletsgutschein für die Erstausstattung konnte seitens der eNu für die Pilotregionen bei zahlreichen Kesselherstellern ausverhandelt und gemeinsam mit dem Land Niederösterreich zur Verfügung gestellt werden. So gibt es – nur noch bis 31. Oktober – zum Pelletskessel bestimmter Marken, vier Tonnen Pellets kostenlos dazu. Zusätzlich gibt es bei der EVN 6.000 Bonuspunkte. Nach der Installation wird ein zweites Energieberatungsgespräch durchgeführt, das der Evaluierung des Projekts dient. Auch die sechs KEM-Gemeinden* haben umgerüstet. „Es ist nur mehr ein Ölkessel in einem Bauhof in Betrieb, der noch heuer ersetzt werden soll – dann sind wir eine „ölfreie Region‘“, so Litschauer.

Auch beim Ausbau der Photovoltaik waren Litschauer und ihre Vorgänger:innen höchst erfolgreich. „Ursprünglich wollten wir eine Anlagenleistung von 2,4 MWp bis 2024 erreichen, doch schon im Jahr 2020 lagen wir bei 4,3 MWp – das entspricht 550 Wp pro Einwohner:in“, strahlt Litschauer. Einen großen Anteil daran hat die seit 2017 laufende Kooperation mit Helios Sonnenstrom: 37 Bürgerbeteiligungsanlagen mit zusammen 1,1 MWp konnten errichtet werden.

Der nächste Schritt ist die Gründung einer Energiegemeinschaft für die öffentlichen Gebäude in Großschönau. Danach ist geplant, auch die anderen fünf KEM-Gemeinden einzubeziehen, bevor auch die Bevölkerung zur Teilnahme eingeladen wird.

Weiters soll die Sanierungsrate aller öffentlichen Gebäude kontinuierlich erhöht werden. Dazu wurde ein Übersichtsblatt aller kommunalen Einrichtungen mit detaillierter Ausweisung des jeweiligen Gebäudezustands als Entscheidungsgrundlage für den Gemeinderat erstellt. „Auf Basis unserer Empfehlungen wird in den Gemeinden daraus ein Sanierungsplan mit zeitlicher Verortung entwickelt“, erklärt Litschauer. Für das Gemeindeamt von Moorbad Harbach ist eine Mustersanierung geplant, deren Umsetzung allerdings von einer positiven Abstimmung der Gemeindebürger:innen abhängig gemacht wird.

Radroutennetz. Im Vorjahr nahm Litschauer gemeinsam mit den KEM-Gemeinden und dem Mobilitätsmanagement Waldviertel (NÖ.Regional) auch die Radverkehrsinfrastruktur unter die Lupe. Dabei wurde ein Konzept für ein gemeindeübergreifendes Radroutennetz erstellt. Bestehende Lücken sollen in den nächsten Jahren geschlossen werden. Das Projekt wurde mit dem Preis „Clever Mobil“ für die Region Waldviertel ausgezeichnet. Die 10.000 Euro Preisgeld sollen für die Erstellung eines Orientierungsleitsystems verwendet werden. Auch eine digitale Radkarte wird erarbeitet.

Im Rahmen des aktuellen Klimaschulenprojekts befragten die „Energiespürnasen Lainsitztal“ einerseits alle Energieerzeuger der Region und anderseits ihre Eltern. Das Ziel ist, einen guten Überblick über bestehende Energieerzeugungsanlagen und Heizsysteme sowie allfällige private und kommerzielle Ausbaupläne zu erhalten.

Innovative Pläne. Beim 1. Waldviertler Climathon vom 18.–19. März sammelten 25 Gemeinde-Vertreter:innen in vier Gruppen Lösungsvorschläge für die Energiewende. Pro Gruppe wurde jeweils eine Idee weiter ausgearbeitet und von der Jury – Klima- und Energiefonds-Geschäftsführer Ingmar Höbarth, Landesrat Ludwig Schleritzko, Expert:innen der Energie- und Umweltagentur NÖ, Landjugendvertreter:innen, KEM-Managerin Verena Litschauer und TeilnehmerInnen des Climathons – bewertet. Für die von der KEM Lainsitztal gemeinsam mit Interkomm Waldviertel und der Energie- und Umweltagentur des Landes NÖ organisierte Veranstaltung wurde unter der Leitung des Energieexperten und KEM-Managers Alexander Simader die Methode „Design Thinking“ angewandt. Als zündendste Idee kürte man den Vorschlag, den aktuellen Bedarf an Heizöl und Erdgas im Waldviertel vollständig durch Biomasse zu ersetzen. Weitere Projekte zur Konkretisierung sind geplant.

Schon lange vor Gründung der KEM Lainsitztal war Großschönau für sein Engagement in Sachen Umwelt- und Klimaschutz bekannt. Bereits 1986 wurde hier die erste österreichische Umweltmesse, die BIOEM, veranstaltet – die heuer nach coronabedingter Pause wieder stattfindet. 2001 wurde der Sonnenplatz Großschönau ins Leben gerufen, der ab 2007 Passivhäuser zum Probewohnen anbot und nun als Forschungs- und Kompetenzzentrum für nachhaltiges Bauen und Energie fungiert. Seit 2013 lockte die interaktive Erlebnisausstellung SONNENWELT rund 245.000 Besucher:innen in das Waldviertler Dorf. Die Masterminds hinter all diesen Aktivitäten sind das Brüderpaar Martin und Josef Bruckner. „Ich bin sehr froh, in diesem Umfeld arbeiten zu dürfen – und ohne Martin Bruckner wäre meine Arbeit hier um einiges schwieriger“, sagt Litschauer.

Know-how und Engagement. Verena Litschauer studierte am Campus Wieselburg der FH Wiener Neustadt Marketing und Projektmanagement mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeitsmanagement, und sie ist zertifizierte Abfall- und Umweltbeauftragte. Im September 2019 nahm sie ihre Tätigkeit als KEM-Managerin auf. Seit Mai 2021 ist sie auch KLAR!-Managerin. Daneben engagiert sie sich im e5-Team ihrer Heimatgemeinde Echsenbach und als Gruppenleiterin in der Jungschar, wo sie auch für die Sternsinger-Aktion verantwortlich ist. In ihrer Freizeit spielt Litschauer Klarinette und Saxophon in der Musikkapelle Echsenbach. Ihr Lieblingssport ist das Laufen.

* Die KEM Lainsitztal umfasst die Gemeinden Bad Großpertholz, Großschönau, Moorbad Harbach, St. Martin, Unserfrau-Altweitra und Weitra.