KEM-Manager im Porträt. Will man die Energie- und Mobilitätswende in Schwung bringen, muss man die verfügbaren Hebel und Maßnahmen gut kennen. Das wusste auch Regionsmanager Jürgen Ulmer und hat so die 2022 gestartete KEM Vorderland-Feldkirch auf eine breite Datenbasis gestellt.
1978 gründeten 13 Gemeinden* rund um die Stadt Feldkirch und die Marktgemeinde Rankweil den Verein „Regio Vorderland-Feldkirch“, um in verschiedenen Bereichen eng zusammenzuarbeiten: bei der Integration, der Kinderbetreuung, bei Sozialthemen und Sicherheit, bei der Baurechtsverwaltung, Altstoffsammlung und -verwertung sowie bei den Themen Raumplanung, Mobilität, Energie, Klima- und Umweltschutz. Seit 2015 nimmt die Regio an der LEADER-Region Vorderland-Walgau-Bludenz teil, und 2022 startete dann auch die Klima- und Energie-Modellregion Vorderland-Feldkirch mit Jürgen Ulmer als KEM-Manager.
Energie von und für Industrie. Gute Entscheidungen basieren auf fundierten Daten, weiß Ulmer und machte sich auf die Suche nach den regional vorhandenen Potenzialen an erneuerbarer Energie. „Es hat sich gezeigt, dass wir bei Biogas sogar einen Überschuss haben könnten“, freut sich Ulmer. Landwirtschaftliche Betriebe in Kombination mit der der ARA Meiningen, der größten Abwasserreinigungsanlage in Vorarlberg, könnten mehr Biogas liefern, als die Industrie im Vorderland für ihre Hochtemperaturanwendungen benötigt.
Gleichzeitig produzieren die großen Industriebetriebe in Vorarlberg jede Menge an Abwärme – und im benachbarten Walgau gibt es davon besonders viel. „Allein die untersuchten Betriebe in Vorarlberg könnten zusammen 400 GW Wärmeleistung bereitstellen“, verweist Ulmer auf eine Studie im Auftrag des Landes Vorarlberg. Autor Christof Drexel regt darin an, die Machbarkeit einer „Walgau-Wärmeschiene“ zwischen Feldkirch und Bludenz zu untersuchen, um diese Abwärme als Heizenergie zu nutzen. Diese in der Region verfügbar zu machen, ist eine Option in der Potenzialstudie.
Tiefengeothermie. Untersuchungen im benachbarten Liechtenstein gehen davon aus, in 4.000 Metern Tiefe auf wasserführende Gesteinsschichten mit etwa 130°C zu stoßen. Eine erste Probebohrung in Feldkirch musste allerdings abgebrochen werden, weil der Untergrund Probleme bereitete. „In unserer Potenzialanalyse haben wir zwei Szenarien, einmal mit und einmal ohne Tiefengeothermie“, ist der KEM-Manager auf alle Eventualitäten vorbereitet.
„Im Rahmen der Energieraumplanung sind wir dabei, die Daten aus den unterschiedlichsten Quellen in einem Tool zusammenzufügen, um damit Planungsprozesse der Gemeinden zu erleichtern“, erklärt Ulmer. „Die Informationen aus verschiedenen Ebenen können hier verknüpft werden – der Solarkataster, der Wärmeatlas, die Räumlichen Entwicklungspläne (REP) der Gemeinden, die Grünraumstrategie der KLAR! Vorderland-Feldkirch und vieles mehr bis hin zur Qualität der Bushaltestellen.“ So bekommen die Verantwortlichen in den Gemeinden in einem Tool viele wichtige Informationen für zukünftige Planungen, um einer nachhaltigen Entwicklung in den Gemeinden und der Region Rechnung tragen zu können.
Photovoltaikausbau. Das vorhandene Solarpotenzial wird zunehmend von den Gemeinden genutzt. Auf der Vorarlberghalle, einer der größten Eishallen Österreichs mit Platz für 5.200 Besucher:innen, wurde Anfang 2025 eine Photovoltaikanlage mit 360 kWp in Betrieb genommen. Auf dem Dach des Altstoffsammelzentrums Vorderland in der Gemeinde Sulz gingen im Dezember 2023 150 kWp ans Netz. Insgesamt installierten die KEM-Gemeinden im Zeitraum der Umsetzungsphase (2023-2024) über 800 kWp. Die installierte PV-Leistung der KEM-Region konnte von 20 MWp im Jahr 2021 auf 39 MWp im Jahr 2023 gesteigert werden.
In allen Vorderland-Gemeinden, die sie nicht schon vorher hatten, wurde eine Energiebuchhaltung eingeführt. Alle Gemeinden arbeiten mit dem Tool EBO, der Online-Energiebuchhaltung des Energieinstituts Vorarlberg beziehungsweise der e5-Gemeinden Österreichs. Manche haben nicht nur eine jährliche, sondern aucheine monatliche Energiebuchhaltung. „Es laufen gerade Schulungen für die kleineren und neu eingestiegenen Gemeinden, um ihnen zu zeigen, wie man die Software optimal nutzen kann“, sagt Ulmer.
Schwerpunkt Fahrrad. Die Klima-Jahreskampagne 2023 der KEM Vorderland-Feldkirch widmete sich dem Radfahren. Bei den 13 Schwerpunkt-Veranstaltungen im Jahr 2023 gab es nicht nur Informationen und Serviceangebote, sondern es wurde auch eine Umfrage zum Gehen und Radfahren in der Region mit rund 700 Teilnehmer:innen durchgeführt. Ihre Antworten liefern wichtige Hinweise auf Problem- und Gefahrenbereiche und Erkenntnisse für künftige Planungen.
Kommen wird die Radschnellverbindung Vorderland/Am Kumma. Dadurch entsteht eine direkte Radstrecke zwischen Götzis und Sulz entlang der Bahntrasse. Die fünf neuen Radkilometer erstrecken sich über sechs Gemeinden; neun Radbrücken und ein 180 Meter langer Tunnel werden errichtet. 2028 soll diese wichtige Nord-Süd-Verbindung fertig sein. „Unser Ziel in der aktuellen Weiterführungsphase ist nun, durch die Erstellung eines Gesamtmobilitätskonzepts die Qualität der Radinfrastruktur im Vorderland weiter zu verbessern“, so der KEM-Manager.
Die Region hat auch die Klimaschmiede ins Leben gerufen, die jährlich rund 30 Veranstaltungen organisiert. Feldkirch, Rankweil und andere Gemeinden sowie KEM und KLAR! bieten ihre Workshops, Exkursionen und Informationsveranstaltungen hier gemeindeübergreifend an. In den letzten beiden Jahre gab es jeweils einen Schwerpunkt. 2023 war es das Thema Radfahren und im Vorjahr „Raus aus Öl und Gas“. In Summe konnten in über 20 Veranstaltungen Bürger:innen sensibilisiert werden.
Zielgruppe Jugend. Besonders gerne erinnert sich Ulmer an die gemeinsam mit der KLAR! Vorderland-Feldkirch organisierte zweitägige Klimawerkstatt mit Exkursionen, Workshops, Vorträgen, Filmvorführungen, Rollenspielen und dem Verkauf von Second-Hand-Waren. Dabei wurde den Schüler:innen regionaler Mittelschulen, Gymnasien und der HAK Feldkirch viel Raum für ihre eigenen Botschaften gelassen, die auch bei der Abschlusspräsentation vor Politiker:innen vorgetragen – und auch gerappt – wurden. Über 400 Jugendliche konnten so erreicht und aktiv eingebunden werden. Auch in der Weiterführung wird in einer gemeinsamen Maßnahme von KLAR! und KEM die Jugend wieder eingebunden.
In der aktuellen Anfang des Jahres gestarteten Weiterführungsphase möchte Ulmer im Rahmen einer „Servicestelle“ den Gemeinden konkrete Unterstützung und Nutzen aus der KEM bringen. Unter anderem soll die Serviceleistung des Förderscreenings die Möglichkeit bieten, Klimaschutzprojekte auch unter den aktuell angespannten finanziellen Herausforderungen der Gemeinden zu verwirklichen – eine Win-Win-Situation für Klimaschutz, Gemeinden und KEM. Hier soll auch KI Einzug in den Arbeitsalltag finden, um eine optimale Finanzierung zu ermöglichen. Zusätzlich soll das Energiemanagement verbessert werden, wovon in erster Linie die kleinen Gemeinden der Region profitieren. Auch die Raumplanungsinstrumente sollen weiterentwickelt werden.
„Für das Sport- und Freizeitzentrum Oberau in Feldkirch mit Fußballplatz, Tennisplätzen, Campingplatz und Schwimmbad erstellen wir ein Gesamtenergiekonzept“, so Ulmer. Schon jetzt wird dort das Abwasser einer Molkerei mit Wärmepumpen für die Beheizung der Schwimmbecken genutzt. Auch die Zusammenarbeit und Beschaffung der Bauhöfe soll effizienter werden. Bestimmte Werkzeuge oder Fahrzeuge könnten künftig von den Gemeinden gemeinsam genutzt und nachhaltige Produkte gemeinsam angeschafft. Dadurch werden Ressourcen und Energie gespart.
Voll im Saft. Jürgen Ulmer ist in Göfis aufgewachsen und lebt nun mit seiner Frau in Hörbranz. Er wurde an der Ingenieurschule Wädenswil in der Schweiz zum Getränketechnologen ausgebildet und arbeitete viele Jahre in der Vorarlberger Getränkeindustrie. Später absolvierte er Ausbildungen zum Abfall- und Energieberater und war über 20 Jahre beim Vorarlberger Umweltverband tätig. Seit 2022 ist er als KEM-Manager und selbstständiger Unternehmensberater tätig. In seiner Freizeit betreibt Ulmer gerne Sport, vor allem Radfahren, Mountainbiken und Wandern. Manchmal geht er auf die Jagd.
* Feldkirch, Fraxern, Göfis, Klaus, Laterns, Meiningen, Rankweil, Röthis, Sulz, Übersaxen, Viktorsberg, Weiler und Zwischenwasser
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KEM Vorderland-Feldkirch