Elektrisch bis in den hintersten Winkel des Tals

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KEM-Managerin im Porträt. Sie zeigt auf, dass sich Elektroautos nicht nur für die Ebene eignen. Nicole Suntinger treibt in der Klima- und Energie-Modellregion (KEM) Sonnenregion Hohe Tauern – am Fuße von Großglockner und Großvenediger – nachhaltige Mobilitätslösungen voran. Sie organisiert Informationsveranstaltungen und Wettbewerbe und sagt Ölheizungen und Plastiksackerln den Kampf an.

Nicole Suntinger hat Glück mit ihren vier Gemeinden* im Norden Osttirols. Denn der Klimaschutz wird hier von der Lokalpolitik, aber auch von der Bevölkerung ernst genommen. Ein schönes Beispiel dafür sind das DefMobil und e-defMobil 2.0. Ende 2010 starteten die drei Bürgermeister des Defereggentals – damals Teil der KEM energie | osttirol – mit einem Rufbussystem zur Ergänzung des rudimentären Postbusverkehrs. Das DefMobil erwies sich als so erfolgreich, dass es gut sieben Jahre später vom Verkehrsverbund Tirol (VVT) als reguläre Rufbuslinie übernommen wurde.

Ehrenamtlich mobil. Das nahm man im Defereggental zum Anlass, noch eins draufzusetzen. Freiwillige steuern nun als Ergänzung zum DefMobil werktags von 8 bis 12 und 13 bis 18 Uhr einen Elektro-Pkw für die allerletzte Meile. Das e-defMobil 2.0 steht den BürgerInnen für einen Euro pro Person und Fahrt zur Verfügung und ermöglicht einen Anschluss bis vor die Haustüre. Außerhalb der Betriebszeiten als Anrufsammeltaxi ist das Fahrzeug im E-Car-Sharing-Einsatz. „Wir haben in der 868 EinwohnerInnen zählenden Gemeinde St. Jakob im Schnitt 120 Fahrten pro Monat“, freut sich Suntinger. „Nun kommt man auch vom letzten Hof im Tal ohne eigenes Auto zum Arzt, zum Einkaufen oder zum Musikschulunterricht, aber auch zu den Haltestellen von DefMobil und Postbus.“

Im Vorjahr konnte Suntinger mit weiblichem Charme und Schmäh – „Ich bin meist die einzige Frau unter lauter Männern.“ – auch die Gemeindeväter von Prägraten von diesem Mobilitätskonzept überzeugen. Ende Mai nimmt nun auch das Gemeindemobil Prägraten seinen Anrufsammeltaxi- und Sharing-Betrieb auf. In der e5-Fünfstern-Gemeinde Virgen wiederum lenken BürgerInnen bereits seit 2005 das Virger Mobil. Mit Unterstützung des Klima- und Energiefonds konnte das alte Fahrzeug 2014 durch ein Elektroauto ersetzt werden. Seit 2017 steht in Virgen mit e.vi auch ein E-Car-Sharing-Auto bereit, das ebenfalls vom Klima- und Energiefonds gefördert wurde.

Mobilitätskombi. „Sowohl bei e-defMobil 2.0 als auch bei e.vi handelt es sich um FLUGS-Fahrzeuge“, erklärt Suntinger. „FLUGS ist das E-Car-Sharing der Regionalenergie Osttirol, das mein Vorgänger René Schader ins Leben rief. Der Verein betreibt heute 13 E-Fahrzeuge in sieben Standortgemeinden – und dank René sowie des Projekts E-Mobilität in der Praxis können bald auch VVT-JahreskartenbesitzerInnen alle Tiroler E-Car-Sharings nutzen, ohne bei jedem einzelnen Car-Sharing-Anbieter Mitglied zu werden.“

StudentInnen der FH Kufstein erhoben die Energiedaten von Haushalten in der KEM Sonnenregion Hohe Tauern, Energie Tirol wertet sie aus. Die Daten sollen Suntinger als Grundlage für neue Maßnahmen in der dritten Weiterführungsphase der KEM dienen. „Schon jetzt zeigt sich, dass wir zwar bereits sehr viel Fernwärme- und Biomasseheizungen haben, aber auch noch viele Ölheizungen“, so Suntinger. „Gemeinsam mit Land und Energie Tirol konnten wir der Bevölkerung bereits geförderte Heizanlagenchecks zur Verfügung stellen.“ Der Bereich „Raus aus dem Öl“ wird sie auch weiterhin beschäftigen.

Regelmäßige Beratung. Einmal pro Monat steht den EinwohnerInnen der KEM zudem eine kostenlose Energie- und E-Mobilitätsberatung in Lienz zur Verfügung. Einmal pro Jahr wird jede Sonnenregion-Gemeinde vom Energie-Tirol-Berater besucht. Im Bereich Tourismus arbeitet Suntinger eng mit den Nationalpark-Partnerbetrieben zusammen. Im Herbst 2018 veranstaltete sie für die Hoteliers und GastronomInnen einen Workshop zu den Themen Müllvermeidung, Recycling, Energie und (E-)Mobilität. Demnächst folgt ein weiterer, in dem die Beleuchtung sowie ein „regionales Frühstück“ im Mittelpunkt stehen.

Der regionalen Ernährung widmen sich im Rahmen der Nachhaltigkeitstage von 20. Mai bis 7. Juni auch die Kindergartenkinder. NMS-SchülerInnen werden den Wald mit verschiedenen Baumarten aufforsten. Die Jugendlichen aus dem Polytechnikum veranstalten ein Repair Café. Vorträge zu altem Saatgut, zum Klimawandel in den Gemeinden, zum Bauen und zu Green Events sowie der Fotomarathon zum Thema Biken runden das vielfältige Programm ab.

In der Tasche. Ab Anfang Juni sagt Suntinger dem Plastikmüll den Kampf an. Gemeinsam mit dem regionalen Einzelhandel, Volksschulen und Kindergärten werden Stofftaschen produziert und unters Volk gebracht. Ein Teil der Taschen wird von den Kindern individuell bemalt. „Auch die Gastronomie beteiligt sich und wird künftig zum Beispiel auf Plastik-Strohhalme verzichten“, freut sich die KEM-Managerin.

Nicole Suntinger ist seit 2016 neben der KEM im Regionsmanagement Osttirol tätig und schloss vor zwei Jahren ihr Raumplanungsstudium (Schwerpunkt Regionalentwicklung und Energieraumplanung) an der Technischen Universität Wien ab. In ihrer Freizeit treibt es sie in die Natur zum Biken, Wandern, Skifahren und Langlaufen. Wieder daheim freut sie sich über ein Glas Craft Beer, das ihr Freund aus vorwiegend regionalen Zutaten braut. Na dann: Prost und ein Hoch auf die innovativen Mobilitätslösungen der Sonnenregion Hohe Tauern!

* Die KEM Sonnenregion Hohe Tauern entstand im Herbst 2016 aus der KEM energie | osttirol. Sie umfasst die Gemeinden Matrei in Osttirol, Prägraten am Großvenediger, St. Jakob in Defereggen und Virgen.