Vom Reststoff zum multifunktionellen Wertstoff

3 Lignovations

Greenstarter im Porträt. Für die Papier- und  Zellstoffindustrie ist Lignin ein Störfaktor, für Lignovations die Basis zum Erfolg. Das Start-up möchte dem Bestandteil von Holz und Stroh ein breites Feld von industriellen Einsatzmöglichkeiten eröffnen – zum Beispiel für nachhaltige Sonnencremes. Zwei Patente der TU Wien machen es möglich.

Aus Lignin kann man alles machen außer Geld, heißt es in der Industrie. Daher wird jener Stoff, der Bäumen und anderen Pflanzen Halt gibt, sie vor UV-Licht, Mikroorganismen und Pilzen schützt, heute meistens nur „thermisch verwertet“.

„Das stimmt aber nicht mehr lange“, sagt Martin Miltner. Bei Versuchen an der TU Wien haben sich unerwarteterweise kolloidale Ligninpartikel gebildet – diese haben das Potenzial, zahlreiche problematische Stoffe in vielen Produkten des Alltags zu ersetzen.

Miltner, seine Frau Angela und Stefan Beisl waren bei diesem Aha-Erlebnis mit dabei. Gemeinsam arbeiten sie nun daran, Lignin sinnvoller nutzbar zu machen, als es einfach nur zu verbrennen. Dazu bereiten die drei WissenschafterInnen nun die Gründung der Lignovations GmbH vor.

Nachhaltige Partikel. Mit dem an der TU entwickelten Prozess produziert Lignovations kolloidales Lignin, das eine wesentlich größere Partikeloberfläche hat als das Ligninpulver, das in der Industrie anfällt. Diese kolloidalen Partikel ermöglichen es, die natürlichen Eigenschaften des Lignins auch in Konsumprodukten nutzbar zu machen und dort nicht-nachhaltige Inhaltsstoffe zu ersetzen. Als biologischer Rohstoff ist kolloidales Lignin vor allem als biologische Zutat zu Sonnencremes und Kosmetik, UV-beständige Beschichtungen, Holzschutz und Lacke interessant, aber auch für Lebensmittelverpackungen und funktionelle Textilien.

„Kolloidales Lignin könnte eine ganze Reihe problematischer Chemikalien ersetzen, die von der Haut aufgenommen werden, hormonähnliche Wirkung entfalten und im Verdacht stehen, krebserregend zu sein“, fasst Miltner einige Vorzüge seines Produkts zusammen. „Gleichzeitig wird statt Öl eine biologische Substanz als Rohstoff eingesetzt, die bislang eher als Abfall- denn als Wertstoff betrachtet wird.“ Auch Titandioxid, dessen Produktion pro Tonne mit fünf Tonnen CO2-Emissionen und toxischen Abwässern verbunden ist, könnte in vielen Produkten durch Lignin ersetzt werden. Damit unterstützt Lignovations den generellen Trend in Richtung Bioökonomie und setzt auf einen Herstellungsprozess, der deutlich energieeffizienter und sauberer ist als heute übliche Techniken.

Vielversprechende Testergebnisse. Dank der Pilotanlage an der TU Wien konnten die drei WissenschafterInnen gemeinsam mit Partnerunternehmen bereits die Anwendung in Sonnencremes, Lack und Holzschutzmitteln testen. Mitte 2022 soll ihre erste eigene Pilotanlage die Produktion aufnehmen und marktfähiges kolloidales Lignin herstellen. „Das ist noch nicht sehr viel, müsste aber reichen, um gemeinsam mit einem innovativen Hersteller eine erste Sonnencreme auf den Markt zu bringen“, so Miltner. Ende 2023 soll eine große Anlage in Betrieb gehen.

Die Suche nach InvestorInnen könnte schon demnächst abgeschlossen sein. „Greenstart hat uns dabei und bei manch anderer offener Frage ein gutes Stück weitergebracht“, sagt Miltner. Nach wie vor ist Lignovations an Kooperationen mit Lack- und Kosmetikherstellern sowie an Lieferanten für schwefelfreies Lignin interessiert. In weiterer Folge möchte das Start-up auch mit Polymer- und Kartonherstellern zusammenarbeiten, um neuartige funktionelle Verpackungen und Beschichtungen zu kreieren. „Die antioxidative und antibakterielle Wirkung des Lignins ist wie geschaffen für Lebensmittelverpackungen“, ist Miltner überzeugt. Eines Tages könne kolloidales Lignin vielleicht sogar Bestandteil von Nahrungsergänzungsmitteln werden.