Daham in Fürstenfeld

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Die oststeirische Kleinstadt erlangte 1984 dank der Austro-Pop-Formation STS einen hohen Bekanntheitsgrad in Österreich und weit darüber hinaus. Nun wartet Fürstenfeld mit einem neuen Hit auf: Die vollständige Dekarbonisierung der Strom- und Wärmeversorgung soll bis 2030 abgeschlossen sein.

„Das ist schon eine große Sache mit Modellcharakter für andere Städte und KEMs“, sagt Joachim Friessnig, KEM-Manager der Ökoenergieregion Fürstenfeld, ohne Übertreibung. Seit gut einem Jahr regnet es Auszeichnungen: Fürstenfeld holte sich den ÖGUT-Umweltpreis 2024 in der Kategorie „Nachhaltige Kommune“, den Holzenergiepreis 2024 des Österreichischen Biomasseverbands und nun auch den Energy Globe STYRIA AWARD 2025.

Preisgekrönt. Mehr als über die Auszeichnungen freuen sich die Fürstenfelder:innen freilich auf zwei Betriebsansiedelungen, die schon bald neue Arbeitsplätze schaffen und der Stadtgemeinde zusätzliche Steuereinnahmen bescheren werden. „Das Angebot, die Betriebe mit erneuerbarer Fernwärme und Ökostrom zu versorgen, war für beide international tätigen Großunternehmen ausschlaggebend, um einen Teil ihrer Produktion nach Fürstenfeld zu verlagern“, erklärt Friessnig.

Die Stadtwerke Fürstenfeld und ihre 100-Prozent-Tochter Fürstenfelder Ökoenergie GmbH schaffen es schon heute, rund 90 Prozent der benötigten Energie auf erneuerbarer Basis zur Verfügung zu stellen. Dabei setzt man auf innovative Projekte – und das schon seit langer Zeit.

Geothermie und Biomasse. Im Jahr 2000 wurde eine Tiefenbohrung zur Wärmenutzung durchgeführt, die das neu errichtete Fernwärmenetz Fürstenfeld mit 125 °C heißem Wasser aus der Tiefe versorgte. Doch nach fünf Jahren musste man mit Bestürzung feststellen, dass die Reinjektionsbohrung durch das salzhaltige Wasser so stark beschädigt worden war, dass man den Geothermiebetrieb einstellen musste. Die Fernwärme wurde dann lange Zeit vor allem mit Erdgas betrieben, bis im April Österreichs bislang größtes Pellets-Holzvergaserwerk in Betrieb ging. Es erzeugt jährlich rund 16.000 MWh Ökostrom und 20.000 MWh Wärme und schafft Unabhängigkeit von Energieimporten. Als Brennstoff werden wegen der im Gegensatz zu Hackschnitzeln konstant hohen Qualität 12.000   Tonnen steirische Pellets pro Jahr eingesetzt. Im Zuge der Betriebsansiedelungen laufen derzeit die Bauarbeiten für ein weiteres Biomasseheizwerk.

Trotzdem möchte man in der Bezirkshauptstadt zwei weitere Tiefenbohrungen riskieren. Die Genehmigungen dafür liegen bereits vor. Innerhalb der KEM Ökoenergieregion Fürstenfeld sind derzeit mehrere Tiefengeothermie-Anlagen aktiv. Sie speisen die Thermen Bad Blumau sowie Bad Loipersdorf und dienen der Wärmeversorgung mehrerer Gemeinden und Betriebe, darunter ein großer Gemüseanbaubetrieb.

Für Gebäude abseits der Fernwärme empfiehlt Friessnig oberflächennahe Geothermie. Drei Erdsonden-Anlagen sind bereits in Betrieb, eine davon dient auch als Modellanlage. Die KEM bietet interessierten Betrieben in Insellage kostenlose Beratungen für derartige Heizsysteme an.

PV und Biogas. Auch im Bereich Photovoltaik lässt sich Fürstenfeld nicht lumpen. „Die Stadt verfügt über mehr als einen Hektar PV auf Gebäudedächern und 15 Hektar Agri-PV. Sie liefern gemeinsam rund 18.000 MWh pro Jahr“, rechnet Friessnig zusammen. Das entspricht Ökostrom für rund 6.000 Haushalte. Unter den Freiflächenanlagen grasen Schafe und sammeln Bienen Nektar für die Produktion von „Sonnenhonig“. Bald werden auch Gänse unter den PV-Modulen schnattern.

Um Lastspitzen im Stromnetz zu vermeiden und die Sonnenenergie auch in der Nacht nutzen zu können, wurde zudem Österreichs größte Batterie-Stromspeicheranlage errichtet. Sie verfügt über 24.000 kWh Speicherkapazität, bietet bis zu 12.000 kW Leistung und wurde heuer im Jänner in Betrieb genommen. Die Biogasanlage neben dem Abfallwirtschaftszentrum liefert jährlich Ökostrom für weitere 600 Haushalte. Und auch zahlreiche Privatleute haben in Sonnenkraftwerke und Stromspeicher investiert.

„Unser Energiemix ist ausgewogen und der Stromspeicher groß genug, um die Stadt vor einem Blackout zu schützen“, meint Friessnig. „Insgesamt haben Stadt und Stadtwerke nun etwa 90 Prozent der angestrebten Dekarbonisierung der Energieversorgung erreicht. Sollten die geplanten Tiefenbohrungen erfolgreich verlaufen, sind die angestrebten 100 Prozent bis 2030 locker zu erreichen.“

Mobilität. Einige Millionen Euro konnten in den vergangenen Jahren mithilfe von Landes- und Bundesförderungen auch in die Radverkehrsinfrastruktur investiert werden. In der Stadt selbst gelten radfahrfreundliche 30 km/h als Regelgeschwindigkeit, der Fokus liegt daher nun auf der sicheren Anbindung von Katastral- und Nachbargemeinden. Nach Altenmarkt, Übersbach und Söchau kann man bereits relaxt radeln, die Strecke nach Bierbaum an der Safen und Bad Blumau wird bereits gebaut und soll im Oktober 2025 fertig sein.

Fürstenfeld ist an die Thermenbahn angeschlossen, doch deren Existenz scheint gefährdet, was in der Region zu heftigen Diskussionen führt. Die Bahnlinie gewährleistet eine gute Verbindung Richtung Wien. Nach Graz gelangt man allerdings mit dem Linienbus schneller. Noch flotter ginge es mit dem „Burgenlandbus“ B2 von Pinkafeld und Oberwart nach Graz, doch dieser hält nicht auf steirischem Gebiet. Für die Nutzer:innen von E-Autos gibt es in Fürstenfeld eine Schnellladestation. „Eigentlich wäre derzeit ein Privatauto in der Stadt nicht erforderlich“, so Friessnig. Die Stadtgemeinde selbst setzt auf Elektroautos und Biodiesel für größere Kommunalfahrzeuge.

Schauplatz. Die Bezirkshauptstadt möchte ihre Leistungen auch herzeigen. So wurde im November 2024 der „Öko-Energie Schauplatz Fürstenfeld“ eröffnet. Hier können das Pellets-Holzvergaserwerk und die Batterie-Stromspeicheranlage besichtigt werden. Eine multimediale Aufbereitung des Energiekonzepts und seiner Komponenten ist geplant. Schon jetzt zu sehen gibt es ein Video von der Eröffnungsfeier.

Joachim Friessnig begleitet die Stadt und die weiteren neun Gemeinden* der Ökoenergieregion Fürstenfeld seit vier Jahren als KEM-Manager und ist auch als Gemeinderat aktiv. Der gebürtige Fürstenfelder war Mathematik- und Informatiklehrer und unterrichtete auch Religion. Und während andere in die große Stadt zogen, um dann „ham nåch Fürstnföd“ zu kommen, blieb Friessnig seinem Geburtsort treu.

 

* Bad Blumau, Burgau, Großsteinbach, Großwilfersdorf, Ilz, Bad Loipersdorf bei Fürstenfeld, Neudau, Ottendorf an der Rittschein, Rudersdorf

Weitere Informationen:
KEM Ökoenergieregion Fürstenfeld
Video „Eröffnungsfest am Öko-Energie Schauplatz Fürstenfeld“