Vom „Umweltflüchtling“ zum KEM-Manager

1 Portrait Segers

KEM-Manager im Porträt. Die dicke Luft zwischen Brüssel und Antwerpen hatte Michel Segers schwer zugesetzt. Vor zehn Jahren floh der Belgier vor den Luftschadstoffen nach Kärnten. Hier kann er wieder durchatmen und seine Arbeit gegen Umweltzerstörung und Klimawandel fortsetzen.

Als Michel Segers vor etwa drei Jahren Manager der Klima- und Energie-Modellregion (KEM) St. Veit kärnten:mitte* wurde, brachte er reichhaltige Erfahrungen mit. Nach dem Studium der  Kommunikationswissenschaft hatte er für die Stadtgemeinde Puurs, seine Heimatstadt, einen Tourismusdienst ins Leben gerufen, der bald in die Gründung eines Nachhaltigkeitsbüros mündete. Segers war viele Jahre Obmann des Jugendbunds für Natur und Umweltschutz und organisierte über neun Jahre hinweg Benefizfestivals, deren Erlöse zum Großteil an Umweltschutzorganisationen flossen.

Vielseitig und kreativ. Segers gestaltete drei Erlebnis-Lehrpfade in Flandern und war auch an der Entwicklung eines innovativen und preisgekrönten Radwegnetzes beteiligt. In Kärnten angekommen, wurde er von der Stadtgemeinde Feldkirchen i.K. mit einem (Schul-)Projekt rund um Sprach- und Kulturvielfalt und einem umfassenden Audit für die Stadtbücherei beauftragt. Bis 2016 arbeitete er als Projektmanager bei der Tourismusregion Mittelkärnten-Erlebnisregion Hochosterwitz GmbH. „Da kamen die altvertrauten Umweltthemen wieder in den Vordergrund“, sagt Segers. Ende April absolvierte er auch den Lehrgang zum kommunalen Klimaschutzbeauftragten.

BesucherInnen der Wochenmärkte in der Region kennen ihn wahrscheinlich. Denn bei Sonnenschein gesellt sich der KEM-Manager mit einem Solar-Griller unters Volk. Und während es brutzelt, ist entspanntes Plaudern über die Themen und Angebote der KEM angesagt. Ganz oben auf der Agenda steht derzeit das Thema regionales Einkaufen und regionale Ernährung. Und wer sein Grillgut wirklich gut durch genießen möchte, erfährt dann auch noch von der Verlängerung der erfolgreichen Heizungspumpen-Tauschaktion. Bis Ende 2019 gibt es in der KEM St. Veit kärnten:mitte 120 Euro Direktzuschuss.

Ökotourismus. Einen weiteren Arbeitsschwerpunkt bildet das Thema nachhaltiger Tourismus. „Wir sind dabei, ein Angebot zu schaffen und zu vermarkten, das es möglich macht, sowohl bei der Anreise als auch während des Aufenthalts auf ein Auto zu verzichten“, erläutert Segers. Einer der Kernbereiche ist dabei die Unterstützung der „Letzte Meile“-Initiative: Die Gäste werden unter der Projektleitung der Touristischen Mobilitätszentrale Kärnten vom Bahnhof mit einem Shuttledienst zu ihren Unterkünften gebracht. „Im Rahmen eines früheren Projekts zur Errichtung von E-Mountainbike-Routen wurden zehn E-Bikes angeschafft, zur Nutzung für Gäste und Einheimische. Ganz aktuell sind wir auf Anregung der Kärnten Werbung in ein neues regionsübergreifendes Radverleihsystem – vom Kinderrad bis zum E-Bike – eingestiegen.“

Die 2015 gegründete Stadtmobil-Flotte in St. Veit an der Glan umfasst inzwischen sechs E-Cars zum Teilen. Das E-Carsharing steht ebenso Einheimischen und TouristInnen zur Verfügung. „Die Renault Twizzys aus der Startphase wurden, obwohl diese durchaus touristische Qualitäten hatten, ausgemustert. Mit einem davon sind nun die ParkwächterInnen unterwegs“, erzählt Segers und freut sich über ein inzwischen recht dichtes Netz an insgesamt 16 E-Ladestationen. Neben den Gemeinden bieten auch zahlreiche Unternehmen öffentlich zugängliche Ladestellen an, darunter die Hirter Brauerei. In St. Georgen am Längsee wird gerade eine Ladestelle in Kooperation mit einem Gasthaus errichtet.

Sonnenstadt. 770 Gebäude mit 3.700 Haushalten in St. Veit sind an das mit 42 Kilometern Länge beeindruckende Fernwärmenetz angeschlossen. Sie alle heizen mit der Abwärme des FunderMax-Werks in Glandorf. Die Solarstraße im Industriepark trägt ihren Namen zu Recht. Denn hier werden bei KIOTO und GREENoneTEC Photovoltaik- beziehungsweise thermische Solaranlagen produziert.

Im öffentlichen Bereich verfügt die „Sonnenstadt“ St. Veit über ca. 24.000 Quadratmeter Photovoltaik-Modulfläche mit einer Leistung von 3,7 MWp. Damit können rund 1.300 Haushalte versorgt werden. Auch bei der Straßenbeleuchtung hat die 12.500 EinwohnerInnen zählende Kleinstadt ihre Hausaufgaben – die Umrüstung auf LED-Leuchten – weitgehend erledigt.

Beratung. Auf Segers’ To-do-Liste stehen Aktionen rund um die Vermeidung von Plastik und konsequente Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Einkaufsgewohnheiten. „Sehr wichtig ist auch die kontinuierliche persönliche Beratung für Privatpersonen und Unternehmen, zum Beispiel wenn es um Förderungen geht“, erklärt Segers. „Davon sieht die Öffentlichkeit nicht viel, doch die Betroffenen wissen solide Informationen vor wichtigen energierelevanten Kauf- oder Bauentscheidungen umso mehr zu schätzen.“

Neben den KEM-Agenden betreut Segers auch von der EU finanzierte Interreg-Projekte. „Es ist sehr spannend zu sehen, wie die Menschen in anderen Ländern ticken. Das Umweltverhalten der Bevölkerung, aber auch die Herangehensweise an Projekte sind sehr unterschiedlich. Das hilft manchmal, auch Projekte vor Ort aus einer anderen Perspektive zu betrachten“, so der Wahlkärntner.

Künstlerische Ader. Stolz ist Segers auf seine Tochter, die heuer maturierte, obwohl sie, als sie mit acht Jahren nach Kärnten gekommen war, noch kein Wort Deutsch sprach. „In meiner Freizeit gehe ich gerne wandern oder tue etwas mit meinen Händen“, verrät Segers. Zu seinen liebsten Werkzeugen gehören Bleistift und Pinsel. Damit gestaltet er Porträts, Landschaften – und kürzlich auch eine Wand mit Mohnblumen in einem Wohnhaus.

 

* Die KEM umfasst die GemeindenSt. Veit an der Glan, Mölbling, St. Georgen am Längsee und Liebenfels.