Kulinarische Kreislaufwirtschaft

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greenstarter im Porträt. Man muss nicht lange im Kaffeesud lesen, um festzustellen, dass Manuel Bornbaums und Florian Hofers Geschäftsidee eine runde Sache ist – rund im Sinne einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft. Mit ihrer Firma Hut & Stiel züchten sie auf Kaffeesud aus Wiener Kaffeehäusern, Restaurants und Seniorenheimen Austernpilze. Diese werden mit dem Lasten-E-Bike an die Gastronomie und einzelne Lebensmittelgeschäfte frisch ausgeliefert oder zu Aufstrichen, Sugo und Pesto verarbeitet.

„Der Kaffeesud kann dreimal als Substrat für die Pilzzucht verwendet werden. Nach etwa fünf Wochen werden die Austernpilze zum ersten Mal geerntet, danach noch zweimal im Abstand von je zwei Wochen“, erklärt Bornbaum. Zuletzt dient der Kaffeesud einem anderen Jungunternehmen als Nahrung für Würmer, die ihrerseits in Wurmkisten biologische Haushaltsabfälle in Wurmkompost verwandeln. So bleibt der ökologische Fußabdruck des Unternehmens minimal – doch eigentlich müsste man von einem ökologischen Pedalabdruck sprechen, denn Hut & Stiel verwendet für alle Transporte ein elektrisch unterstütztes Lastenfahrrad.

Ideenimport. Manuel Bornbaum studiert an der Universität für Bodenkultur, Florian Hofer hat sein Maschinenbaustudium an der TU Wien bereits abgeschlossen. Ihre Geschäftsidee lernten die beiden 2014 bei einem Praktikum in Rotterdam kennen und dachten sich: „Das müsste auch in Wien funktionieren.“ Und so mieteten sie im Dezember 2014 einen 270 Quadratmeter großen Keller im 20. Wiener Gemeindebezirk, renovierten ihn und begannen Kaffeesud einzusammeln. Im Mai 2015 wuchsen bereits die ersten Austernpilze und die Firma Hut & Stiel konnte starten.

Heuer sammelten die Jungunternehmer bis Ende August bereits 20 Tonnen Kaffeesud ein und produzierten damit rund 2,5 Tonnen Austernpilze. Der größte Lieferant ist das Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser mit rund 500 Kilogramm Kaffeesud pro Woche. Die frischen Pilze, Pilz-Pesto, -Sugo und -Aufstrich werden an die Gastronomie und mehrere Lebensmittelläden ausgeliefert, können aber auch bei Hut & Stiel direkt bezogen werden.

Let it grow. Der Grundstein ist gelegt, nun möchten die beiden Jungunternehmer wachsen – und zwar fast wie die Schwammerl. Denn bislang decken die Erlöse aus dem Pilzverkauf erst die Kosten. „In Ungarn werden Pilze in riesigen Kellern gezüchtet. Auch wir wollen unsere Produktion in etwa verfünffachen und suchen nach einem geeigneten Keller“, so Bornbaum. „Dabei könnte uns greenstart doppelt helfen. Einerseits käme das Preisgeld natürlich sehr gelegen für die anstehenden Investitionen, anderseits brauchen wir auch mehr Publicity, wenn wir mehr Pilze verkaufen möchten.“

Als Nebenerwerbsquelle bietet Hut & Stiel Führungen an und hält Pilzzucht-Workshops ab. „Wir möchten unser Konzept nicht zum Patent anmelden, ganz im Gegenteil. Wir wollen im Sinne des Open-Source-Gedankens Menschen dazu ermutigen, in ihren Städten ähnliche Projekte umzusetzen“, sagt Bornbaum. Der weit gereiste Kaffee sei viel zu wertvoll, um letztlich in der Müllverbrennung oder auf einer Deponie zu landen, sind die Firmengründer überzeugt. Deshalb entwickeln sie derzeit ein Home-grow-Set, damit mit man auch daheim den Schwammerln beim Wachsen zusehen kann.