Die Energiewende beginnt im Kopf

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KEM-Manager im Porträt. Krems, das „Tor zur Wachau“, ist offen für die Energiewende. Christian Braun, Manager der Klima- und Energie-Modellregion (KEM) Krems, und sein Team suchen und finden Wege für eine nachhaltigere Zukunft. Zahlreiche Unternehmen der Stadt ziehen mit, und die SchülerInnen zeigen vor, wie man mit Weinstöcken nicht nur Alkohol, sondern auch ein angenehmes Gebäudeklima produzieren kann.

Krems soll bis 2030 energieautark werden, beschloss die Stadtpolitik im Jahr 2011.  Wahrscheinlich aber wird es etwas länger dauern. Denn Krems versorgt sich derzeit gerade erst zu drei Prozent mit erneuerbarer Energie. Zwar liegt Krems an der Donau, doch ein Wasserkraftwerk kommt im Weltkulturerbe Wachau ebenso wenig in Frage wie Windräder. Sogar nach geeigneten Photovoltaik-Standorten musste man in der niederösterreichischen Kleinstadt mit zahlreichen denkmalgeschützten Gebäuden erst suchen – doch man wurde fündig.

Langer Weg. „Die Energieautarkie ist ein hehres Ziel“, meint KEM-Manager Christian Braun. „Aber die grundlegende Philosophie, die Zielrichtung ist abgesteckt und fließt in alle relevanten Planungen der Stadt ein.“ Energieeffizienz, Photovoltaik, die Nutzung von Abwärme oder die Elektromobilität werden nun mitgedacht. So bekommt beispielsweise ein neuer Parkplatz gleich von Anfang an Ladestationen für Elektroautos. Und diese dürfen in Krems nun auch kostenlos parken.

Um eine möglichst breite Implementierung des Autarkiegedankens im täglichen Handeln zu gewährleisten, stehen Braun die beiden Kremser Umweltgemeinderäte Albert Kisling und Thomas Hörhan, Baudirektor Reinhard Weitzer, Johannes Reithner von den Hydro Ingenieuren sowie Peter Molnar, Geschäftsführer des Dachverbands Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ), im KEM-Kernteam zur Seite.

„In einem ersten Schritt haben wir die Energiebuchhaltung in stadteigenen Gebäuden eingeführt und uns angesehen, welche Effizienzsteigerungspotenziale sich rasch und mit kurzen Amortisationszeiten von drei bis fünf Jahren umsetzen lassen“, erinnert sich Braun. Und da fand sich einiges – insgesamt 15 Prozent des Energieverbrauchs konnten durch relativ einfache Maßnahmen eingespart werden. Das sind 1,7 Millionen Kilowattstunden (kWh) oder rund 145.000 Euro jährlich. Die Energiebuchhaltung wird weiter ausgebaut, am Ende sollen gut 30 Gebäude ihre Energiedaten via Datenlogger in die Software einspeisen. Weitere 1,2 Millionen kWh an Sparpotenzial konnten bereits aufgespürt werden.

E-Car mit Blaulicht. Aufmerksamkeit erregte das erste elektrisch betriebene Feuerwehrauto in Krems. Auch Brauns Kollegen von der öffentlichen Beleuchtung nutzen nun ein Elektroauto und montieren neue LED-Leuchten. Die Müllabfuhr fährt zwar noch nicht mit Strom, presst aber im Fahrzeug Altpapier und Restmüll elektrisch. „Der große Vorteil dieser neuen Fahrzeuge liegt weniger in der Dieseleinsparung als in der Lärmreduktion. Die elektrischen Pressen arbeiten sehr leise“, so Braun.

Gepresst wird auch der Müll in den mittlerweile zehn Solarmülltonnen, die an stark frequentierten Bereichen wie der Fußgängerzone aufgestellt wurden. „Mit dem Solarstrom wird eine Müllpresse betrieben, sodass die Tonne sieben Mal mehr Mist schlucken kann und entsprechend seltener zur Entleerung angefahren werden muss“, erklärt Braun. Gleichzeitig dienen die Mülltonnen als Werbeträger.

Aus einem E-Mobilitätswettbewerb der KEM Krems ging ein Projekt hervor, das Unternehmen animieren soll, über eine Anschaffung von Elektroautos nachzudenken. Seit Dezember 2016 vermietet „friendly energy“ ein E-Car an Kremser Firmen. Diese können das Fahrzeug nicht nur bis zu einem Monat lang testen, sondern es auch als fahrende Werbefläche nutzen.

Green City. Sehr erfolgreich verlief Brauns zweites Klimaschulenprojekt 2016/17. SchülerInnen der HTL Krems, der HAK Krems, des Mary Ward Privat-ORG, der NMS Krems und der Volksschule Krems-Egelsee beschäftigten sich intensiv mit der Begrünung ihrer Schulen. Dabei ging es darum, die Gebäude besser vor Überhitzung zu schützen, aber auch um das Anpflanzen von Kräutern, Obst und Gemüse für eine gesunde Jause. Auch das Weingut der Stadt Krems wird von den Kindern und Jugendlichen begrünt. „Das Klimaschulenprojekt ist abgeschlossen, doch die Begrünung der Stadt wird weitergehen“, sagt Braun, der gerade dabei ist, Mittel für eine Fortführung des Projekts zu beschaffen.

Bereits zum zweiten Mal fand heuer an der IMC Fachhochschule Krems ein Nachhaltigkeitstag statt. „Nur noch schnell die Welt retten“ lautete das Motto. „Wir konnten im vergangenen Oktober auch die erste internationale Klimabündnis-Jahreskonferenz nach Krems holen“, freut sich Braun. „Sie bot eine wunderbare Gelegenheit zum Austausch mit TeilnehmerInnen aus 22 Nationen.“

Viele Verbündete. Nicht nur die Stadtgemeinde selbst, auch andere Player ziehen bei der Energiewende mit. So setzte der Gemeindeabwasserverband Krems an der Donau beim Ausbau der Kläranlage auf erneuerbare Energie aus Sonne, Klärgas und Hackschnitzeln. Der Verein fahrvergnügen.at hat ein E-Carsharing-Fahrzeug in Krems stationiert. Derzeit laufen Verhandlungen mit einem Energieversorger zu einem geplanten Biomasseheizwerk. Damit könnte Krems der Energieautarkie einen großen Schritt näher kommen.

Die Firma Schnauer, ein Hersteller von Betonfertigteilen, installierte im Vorjahr eine 45-kWp-Photovoltaikanlage und gleich eine Stromtankstelle dazu. Nun fungiert sie als Kooperationspartner der Stadt bei der Realisierung eines weiteren Sonnenkraftwerks mit 40 kWp, das mit Bürgerbeteiligung finanziert werden soll. Seit Ende September können BürgerInnen Anteile unter www.sonnen-kraft-krems.at  erwerben.

Breites Aufgabenspektrum. Christian Braun stammt aus Weitra und absolvierte eine kaufmännische Ausbildung bei einem Wirtschaftstreuhänder. Nach einem zweijährigen Zwischenstopp in Linz übersiedelte er 1981 nach Krems – „in die Toskana des Waldviertels“, wie er sagt – und wurde Angestellter des Magistrats. In den 90er-Jahren war er mit dem Aufbau der getrennten Müllsammlung und Entsorgung in Krems betraut und absolvierte  Ausbildungen zum Abfallbeauftragten, Umweltbeauftragten und abfallrechtlichen Geschäftsführer. Als Mobilitätsbeauftragter der Stadt Krems kümmert er sich um den Stadtbus und das Anrufsammeltaxi. 2011 wurde er KEM-Manager und sieht  sich als Bindeglied zwischen Politik, Wirtschaft und Bevölkerung.

Braun ist verheiratet und Vater zweier Kinder. „Ursprünglich habe ich viel Fußball gespielt, 1981 bis 1988 auch beim Kremser SC“, verrät der KEM-Manager. „Jetzt gehe ich gerne mit meiner Frau wandern. Auch Radfahren ist mittlerweile ein Hobby von mir.“ Aber nicht nur, schließlich ist auch das Fahrrad ein wichtiger Bestandteil auf dem Weg zur Energieautarkie – gerade in einer Stadt mit Zehntausenden RadtouristInnen und 11.000 Studierenden.