Bürger*innen finanzieren Photovoltaik-Boom

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Interview. Die Sonne strahlt und Karin Schneider auch. Denn der Managerin der KEM 10vorWien gelang es heuer, vier Bürgerbeteiligungsprojekte umzusetzen und für vier weitere die Weichen zu stellen. Nächstes Jahr soll das größte von Bürger*innen finanzierte Sonnenkraftwerk des Weinviertels entstehen.

KEM-Newsletter: Sie haben in Kooperation mit der Energie- und Umweltagentur NÖ (eNu) heuer vier Bürgerbeteiligungsprojekte zur Errichtung von Photovoltaikanlagen erfolgreich durchgeführt. Welche Faktoren waren dafür entscheidend?

Karin Schneider: Grundsätzlich muss gesagt werden, dass die Umsetzung durch die geballte Kraft von eNu und deren Angebot Sonnenkraftwerk-Gemeinde in Kooperation mit der KEM 10vorWien möglich war. Ich sehe unsere Zusammenarbeit wirklich als „Dreamteam“. In dieser Konstellation haben wir, Regina Engelbrecht sowie Leopold Schwarz von der eNu und ich, unsere Beratungen in den Gemeinden durchgeführt. Die Kombination von Fachexpertise der eNu – Berechnungen der Wirtschaftlichkeit und Erfahrungen aus zahlreichen Sonnenkraftwerksprojekten – und die Unterstützung durch die KEM10vorWien bei Organisation, Fördereinreichung und Öffentlichkeitsarbeit wurde sehr gut angenommen. Das Vorbild der Gemeinde Bisamberg mit 375kWp, die innerhalb von drei Stunden ausverkauft waren, motivierte auch die anderen Gemeinden, eine Bürgerbeteiligung durchzuführen.

Bisher konnten wir folgende tolle Erfolge erzielen: Bisamberg (375 kWp), Leobendorf (137 kWp), Sierndorf (90 kWp) und der Abwasserverband Korneuburg (185 kWp) wurden bei der Umsetzung eines Bürgerbeteiligungsmodells begleitet. Mit diesen insgesamt 787 kWp können jährlich rund 2.000 Tonnen CO2 eingespart und rund 219 Haushalte versorgt werden. Weitere Bürgerbeteiligungsprojekte in Stockerau, Langenzersdorf, Enzersfeld und Spillern sind bereits in Planung. Damit kann ein wichtiger Beitrag geleistet werden, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern in der KEM 10vorWien zu reduzieren.

Der Abwasserverband Korneuburg wird seine Kläranlage mit 185 kWp PV ausstatten. Korneuburgs Bürgermeister Christian Gepp erklärte, er wolle nun mithilfe der Bürger*innen weitere Photovoltaikanlagen auf öffentlichen Gebäuden errichten lassen. Wie viel Potenzial für kommunale PV ist in der Bezirkshauptstadt noch vorhanden?

Leider haben wir noch keine konkreten Zahlen. Wir werden aber die Potenziale für Photovoltaik und Energieeffizienz im Bereich kommunaler Gebäude noch evaluieren – und damit auch allen anderen KEM-Gemeinden die Möglichkeiten aufzeigen.

In Bisamberg gibt es nun PV-Anlagen auf zehn gemeindeeigenen  Gebäuden. Die Gesamtleistung liegt mehr als doppelt so hoch wie im fast dreimal größeren Korneuburg. Außerdem gewährt die Gemeinde ihren Bürger*innen für die Errichtung privater PV-Anlagen pro kWp 100 Euro Förderung. Ist die Gemeinde Bisamberg damit Vorreiter und Vorbild für die anderen zwölf KEM-Gemeinden?

Auf jeden Fall – dieses gute Beispiel hat die anderen Gemeinden sehr motiviert, selbst Bürgerbeteiligungsprojekte durchzuführen.

366 Sonnenbausteine wurden beim PV-Bürgerbeteiligungsmodell „Sonnenkraftwerk Leobendorf“ in nur zwei Stunden verkauft. Das schreit nach einem Nachfolgeprojekt, oder?

In Leobendorf wurden bereits alle kommunalen Gebäude analysiert und wo immer möglich PV-Module installiert. Aber natürlich ist der Gedanke zur Forcierung des erneuerbaren Energieanteils in den Köpfen der Verantwortlichen verankert und wird bei neuen Gebäuden mitbedacht.

Sie haben heuer ein „Sonnenfrühstück für Landwirte“ veranstaltet. Wie haben die Landwirt*innen darauf reagiert?

In der KEM 10vor Wien sind rund 700 landwirtschaftliche Betriebe angesiedelt, bei denen oft sehr große, noch ungenutzte Flächen auf Häusern und Nebengebäuden zur Verfügung stehen, was ein umfangreiches Potenzial für die Errichtung von PV bietet.

Leider musste durch Corona die Informationsveranstaltung auf einen Zeitpunkt verschoben werden, an dem keine spezielle Förderung für PV in der Landwirtschaft mehr vorhanden war. Die Informationsveranstaltung wurde trotzdem abgehalten, das Interesse in der Gemeinde Sierndorf war sehr groß. Dieses Format werden wir auch noch in allen anderen KEM-Gemeinden anbieten und im nächsten Jahr intensiver bearbeiten.

 

Wie viele PV-Anlagen bzw. kWp wurden inzwischen auf Bauernhöfen in der KEM 10vorWien installiert?

Zwei Landwirte haben sich nach der Veranstaltung entschlossen, PV-Anlagen zu errichten und insgesamt 64kWp installiert. Ein Landwirt in Oberhautzental hatte konkretes Interesse, eine größere Anlage zu installieren, befand sich vor kurzem aber noch in der technischen Abklärung, da er eine Leitung benötigt. Das Thema PV ist in der KEM 10vorWien allgegenwärtig, dadurch entstehen auch „wie von selbst“ Projekte. So gab es jetzt auch größere PV-Projekte bei Weinbauern in Hagenbrunn – hier wurden bei sechs Unternehmen insgesamt 100 kWp an PV installiert.

 

Bereits 2018 haben Sie die „PV Aktion – 1000 Dächer“ ins Leben gerufen und dazu zwei Informationsveranstaltungen organisiert. Wie viele Photovoltaikanlagen wurden seither in der KEM errichtet?

Bei der Evaluierung vor etwa zwei Jahren waren es rund 40 PV Anlagen. Im Zuge der Bürgerbeteiligungsprojekte wurden heuer 28 Gebäude mit PV ausgestattet. Nach Schätzungen unseres Umsetzungspartners Suntastic Solar wurden heuer bereits auch 30 bis 40 private Photovoltaikanlagen umgesetzt, wobei ein Trend zu immer größeren Sonnenkraftwerken zu beobachten ist.

Allein in Stockerau sollen nun auf sieben kommunalen Gebäuden 1.013 kWp errichtet werden – das wird das bislang größte Bürgerbeteiligungsprojekt im Weinviertel.

Durch unsere Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung kam es auch zu einer Kooperation mit Bonaventura: Bis Ende Oktober sollen drei PV-Anlagen mit einer Gesamtkapazität von 367 kWp bei Tunnelanlagen der S1 entstehen. 

 

Ist auch das Thema Stromspeicher für Ihre KEM-Gemeinden interessant?

Eher vereinzelt. Bei einem Bürgerbeteiligungsprojekt wird das Thema Stromspeicher mitbedacht.

 

Wie sehen Ihre weiteren Pläne für den Photovoltaikausbau in Ihrer KEM aus?

Grundsätzlich sollen alle Gemeinden zum Thema Bürgerbeteiligungsmodell beraten werden. Zum Thema Energiegemeinschaften wird noch im Oktober eine Informationsveranstaltung für die Bürgermeister und -Umweltgemeinderät*innen der KEM 10vorWien erfolgen – und wir werden auch nicht müde, das Potenzial, das es in unserer KEM gibt, auf verschiedenste Weise darzustellen. Beim Großgruppenworkshop wird es über die verschiedenen Aktionen noch einmal Informationen geben und auch das Format „Sonnenkraft für Landwirtschaft“ wird nochmals vorgestellt.

 

Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg für die Folgeprojekte!