Der Boden, von dem wir leben

Raphaela Fink Website

Interview. Heuer im März nahm die Schwerpunktmodellregion Bioökonomie & Kreislaufwirtschaft Steirisches Vulkanland ihre Arbeit auf. Deren KEM-Managerin, Raphaela Fink, berichtet über umgesetzte und geplante Maßnahmen in den 27 teilnehmenden Gemeinden.

KEM-Newsletter: Basis für die Bioökonomie sind gesunde Böden. Wie ist deren aktueller Zustand und welche Maßnahmen werden zur Bodenverbesserung ergriffen?

Raphaela Fink: Ja, der Boden ist zentral für gute Erträge. Durch die jahrzehntelange intensive Bearbeitung mit schweren Maschinen sind viele Böden jedoch stark verdichtet. Jetzt kommen noch vermehrt Hitzestress und Starkregenereignisse dazu. Die Erosion durch Wasser und Wind ist ein Problem. Allerdings haben bereits im April 2013 die 31 Gemeinden des Steirischen Vulkanlands und 14 Institutionen die Bodencharta unterzeichnet. Das ist eine gute Basis, aber es ist noch viel zu tun.

Was genau?

Wir empfehlen leichtere landwirtschaftliche Maschinen, neue Anbaustrategien und neue Fruchtfolgen. Zum Erosionsschutz hat vor kurzem die Bezirkskammer ein Maßnahmenpaket entwickelt. So raten wir beispielsweise zu einer guten Winterbegrünung. Dadurch kann die Erde nicht so leicht vom Wind weggeblasen werden, und die Wasseraufnahme- und -speicherfähigkeit der Böden verbessert sich. Weiters empfehlen wir, wieder mehr Hecken und Zwischenstreifen zwischen den Feldern als Windschutz anzulegen. Sowohl Winterbegrünung als auch Hecken fördern zudem die Biodiversität.
Dazu organisieren wir gemeinsam mit den KEMs und KLARs sowie mit dem Kompetenzzentrum für Acker, Humus und Erosionsschutz und anderen Expert:innen die „Boden von dem wir leben“-Veranstaltungsreihe mit zahlreichen Feldbegehungen und auch mit Maschinenvorführungen.

Sie haben eine ganze Reihe von Informationsveranstaltungen abgehalten. Wie reagieren die Landwirt:innen und die Bevölkerung?

Das Interesse an den Veranstaltungen zu den Themen Boden, Lebensmittel, Wald und nachhaltige Lebensweise ist sehr groß. Auch das Bodenkino wurde gut besucht. Im Biosphärenpark Unteres Murtal wurden unter anderem Bäume gepflanzt. Unter dem Titel „Boden macht Schule“ werden auch Kinder miteinbezogen, um den Boden mit Kopf und Händen begreifen zu können – und um zum Beispiel Erdäpfel anzupflanzen, die am Ende des Projekts dann gemeinsam verzehrt werden.

Ihr Konzept sieht auch eine Diversifizierung der Landwirtschaft vor. Gibt es dafür schon praktische Beispiele?

Derzeit werden große Mengen an Soja aus Übersee importiert. Die Folgen dazu sind uns bekannt. Es gibt bereits erfolgversprechende Unternehmungen, Soja im Vulkanland aufzubereiten, zum Beispiel zu toasten. Soja kann auch teilweise durch Luzerne und Kleegras ersetzt werden – Luzerne liefert rund die doppelte Menge Protein pro Hektar im Vergleich zu Soja. Luzerne ist zudem ein Tiefwurzler und reichert den Boden mit Stickstoff an. Einige Betriebe experimentieren bereits mit dem Einsatz von Luzernen in der Schweinemast. Auch im Geflügelbereich gibt es erfolgsversprechende Aussichten. Es wird Anbauversuche geben, die zeigen, dass die Luzerne eine Ergänzung in den regionalen Eiweiß-Futtermittelquellen sein kann.
Großkörnige Speiseleguminosen spielen in der menschlichen Ernährung eine zunehmend wichtige Rolle. Dafür sind Versuche notwendig, welche Sorten auf welchen Böden geeignet sind. Außerdem bereichern Leguminosen den „Speiseplan“ der Mikroorganismen im Boden und können somit in der Fruchtfolge wertvoll sein. Leguminosen können bei guter Kulturführung hochwertige Lebens- und Futtermittel hervorbringen.

Das regionale und saisonale Einkaufen von Produkten aus der Region soll gestärkt werden. Wie?

Das Wichtigste sind die vielen Erlebniseinkaufsbetriebe an der Vulkanland Route 66, wie zum Beispiel Bauernstadl, Murkostladen und andere, die ein Vollsortiment, gemütliches Gustieren und authentische Beratung anbieten. Der regionale und saisonale Einkauf ist hier ein Erlebnis für alle Sinne. Zudem gibt es einige neu entstandene 24/7-Selbstbedienungsläden von Direktvermarktern. Und wir machen auf vielfältige Weise gemeinsam mit vielen Menschen aus der Region einen nachhaltigen Lebensstil schmackhaft: Im Vulkanland-Shop kann man hunderte verschiedener kulinarischer Produkte aus der Region bestellen. Wir informieren mit Blog und Videos über das Thema Hausgarten, etwa wie man ein Gemüsebeet anlegt oder wie man Ernteüberschüsse einrexen kann. Wir erhalten bei diesem Themenkreis auch sehr viel Unterstützung von anderen Organisationen, wie zum Beispiel von den Omas for Future, der Landjugend und natürlich den KEMs und KLARs.

Ein weiteres Thema ist die kaskadische Nutzung von Rohstoffen im Sinne einer Kreislaufwirtschaft. Gibt es dafür schon Beispiele?

Ja, zum Beispiel die Verwendung von Maisspindeln statt Grillkohle aus fragwürdiger Herkunft. [Vgl.: Grillen ohne unerwünschte Nebenwirkungen] Wir forcieren auch die Produktion von Biogas. Dabei werden ausschließlich biogene Reststoffe eingesetzt. Weiters unterstützen wir den Einsatz von regionaler Pflanzenkohle – der Vulkanlandkohle – zur Bodenverbesserung und als Futtermittelzusatz. Auf den Feldern verbessert die Pflanzenkohle den Wasser- und Nährstoffhaushalt. Außerdem wird Kohlenstoff langfristig eingelagert und entlastet so das Klima.

Ein langfristiges Ziel im Vulkanland ist die Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Energie. Welche Rolle nehmen dabei Bioökonomie und Kreislaufwirtschaft ein?

Wir konzentrieren uns hier vor allem auf den breiten Ausbau von PV-Anlagen mit Stromspeichern (auch im Zusammenhang mit E-Mobilität), die Verwertung von agrarischen Reststoffen zu Pellets und Biogas sowie die verbesserte Nutzung unseres Waldes, der derzeit zu einem Drittel nicht bewirtschaftet wird. Prinzipiell könnte unsere Region mehr Wald vertragen, denn er ist nicht nur eine wichtige Rohstoff- und Energiequelle, sondern auch ein Wasserspeicher – nicht zuletzt für die umliegende Landwirtschaft. Fichten und Buchen werden durch den Klimawandel bei der Aufforstung nicht mehr in Frage kommen – Ziel ist ein artenreicher und mehrstufiger Wald von den Kraut- und Strauchschichten bis zu den alten Baumriesen.
Im Zuge der Bewusstseinsbildung sprechen wir Bevölkerung, Gemeinden und Politik  natürlich auch auf andere Formen der erneuerbaren Energie, auf Energieeffizienz und nachhaltige Mobilität, kurz auf einen neuen Lebensstil, der für mehr Lebensqualität steht, an.

Aktuell laden Sie die Bevölkerung ein, ihre Gärten in eine „Klimaoase“ zu verwandeln. Wie wird diese Kampagne von der Bevölkerung angenommen?

Sehr gut. Wir erklären in der Kampagne, wie man durch verschiedene Maßnahmen das Mikroklima rund ums eigene Haus verbessern und damit gleichzeitig CO2 und Geld sparen kann. Diese Maßnahmen bieten auch eine Chance für regionale Betriebe wie zum Beispiel Gärtnereien und Handwerksbetriebe. Demnächst werden wir auch die Broschüre „Klimaoase für Betriebe“ herausgeben. Darin geht es auch um Themen wie nachhaltige Maschinen, Retentionsräume, Fassadenbegrünung, Jobrad, Jobticket und Photovoltaik.

Vielen Dank für das Gespräch.