KEMs als Vorbild für Japan

Takahashi

Interview. Die Programme KEM und KLAR! des Klima- und Energiefonds stoßen auf internationales Interesse. Die japanische Wissenschaftlerin Keiko Takahashi unternahm mehrere Forschungsreisen nach Österreich und möchte ähnliche Programme in Japan etablieren.

Keiko Takahashi ist für Umwelt-NGOs sowie im Forschungs- und Bildungsbereich an der Tokioter Rikkyo-Universität tätig. 2014 arbeitete sie sechs Monate am Fünften Sachstandsbericht des IPCC mit, was ihr Interesse an klimabezogener Bildungsarbeit in Japan und im Ausland weckte. 2006 gründete sie eine Umweltorganisation und war an der Planung und Umsetzung lokaler Umweltbildungsprogramme beteiligt. 2021 wurde ihre Tätigkeit im Rahmen des Weltumweltberichts GEO-6 for Youth als Good-Practice-Beispiel vorgestellt.

Seit 2015 war Takahashi mehrfach in Österreich. Sie traf Vertreter:innen des Klimabündnis Österreich und Graz, der Universität Wien, des Forums Umweltbildung, von 17&4 und der Austrian Energy Agency. 2017 und 2018 besuchte sie den Klima- und Energiefonds und nahm im Jahr darauf an einer KEM-Schulung teil, wo sie auch Kontakte zu KEM-Manager:innen knüpfte. Danach hatte sie die Möglichkeit, die Programme KEM und KLAR! in Japan vorzustellen.

KEM-Newsletter: Was sind Ihre Forschungsschwerpunkte?

Keiko Takahashi: Meine Forschungsschwerpunkte sind Klimawandel und Bildung, Kompetenzentwicklung und die Beteiligung der Gesellschaft. Ich habe Interviews in vielen Gebieten Japans geführt und selbst Workshops zum Klimawandel für Bürger:innen durchgeführt. Deshalb begann ich darüber nachzudenken, wie sich das Interesse der Bevölkerung am Thema Klimawandel wecken lässt, wie sie selbst über Gegenmaßnahmen nachdenken und diese in die Praxis umsetzen kann. Und ich möchte ein Programm entwickeln, das es Bürger:innen ermöglicht, diese Fähigkeiten zu erlangen.

Wie sind Sie auf die KEMs gestoßen?

2015 begann ich mit Recherchen in Deutschland und Österreich. Mein Ex-Kollege, Thomas Brudermann von der Universität Graz, hat mir einige Institute in Österreich vorgestellt. 2015 und 2017 besuchte ich Regina Steiner von der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich. 2017 bekam ich dann vom japanischen Bildungsministerium den Auftrag, einige Programme zum Klimawandel zu entwickeln. Ich fragte Regina Steiner, ob sie ein gutes Bildungsprogramm in Österreich kenne. Da hat sie mich mit Klaus Ertl vom Klima- und Energiefonds in Kontakt gebracht, den ich dann besuchte, um mehr über das KEM-Programm und die KEM-Schulungen zu erfahren.

Sie haben heuer auch mehrere KEMs besucht. Was waren Ihre Eindrücke?

Ich konnte mit Simon Klambauer (KEM Sterngartl-Gusental) und Andreas Safron (KLAR! Sterngartl-Gusental), Sonja Hackl (KEM & KLAR! Freistadt), Monika Forster (KEM Vorderwald) und Stephan Stückler (KEM & KLAR! Klimaparadies-Lavanttal) sprechen. Weiters besuchte ich Gregor Sellner vom Energieinstitut Vorarlberg, Bruno Oberhuber und Barbara Erler-Klima von Energie Tirol, die steirische Klimaschutzkoordinatorin Gössinger-Wieser und ihre Kollegin Adelheid Weiland. Ich war von den kommunikativen Fähigkeiten der KEM- und KLAR!-Manager:innen beeindruckt. Man merkt auch, dass sie gut und konstruktiv zusammenarbeiten.

Gibt es in Japan ähnliche Programme oder sind solche geplant?

2021 begann das Umweltministerium, Klima-Vorzeigeregionen zu sammeln, die sich zum Ziel gesetzt haben, bis 2030 im Consumer Sector, also in den Haushalten und Büros, CO2-frei zu werden. Sie arbeiten auch an der Lösung regionaler Probleme in Zusammenhang mit dem CO2-Ausstieg und der Verbesserung der Lebensqualität für die Bewohner:innen. Im April 2022 wurden zunächst 28 Regionen ausgewählt. Bis 2025 soll ihre Zahl auf mindestens 100 anwachsen. Noch stehen wir am Anfang. Ein Programm wie KLAR! gibt es in Japan nicht.

Wie funktioniert der Klimaschutz in Japan derzeit auf lokaler und regionaler Ebene?

Die japanische Regierung erstellte einen Maßnahmenplan zum Erreichen der Zielwerte für die Treibhausgasemissionen. Darauf aufbauend erarbeiten die Kommunen Pläne zur Umsetzung bis 2030. Auf der Ebene der Präfekturen wurden Klimaschutzabteilungen mit jeweils fünf bis zehn Mitarbeiter:innen eingerichtet, aber auf der lokalen Ebene gibt es oft keine eigenen Stellen dafür. Viele Klimaschutz-Zuständige in den Gemeinden haben nur wenig Fachwissen, und oft wechseln sie nach ein paar Jahren in eine andere Abteilung, was den Mangel an gut qualifizierten Mitarbeiter:innen perpetuiert. Bis zum 30. September 2022 bekundeten 785 Gemeinden einschließlich Tokio, Kioto und Yokohama das Vorhaben, ihre Netto-CO2-Emissionen bis 2050 auf null zu senken. Diese Gemeinden machen annähernd 95 Prozent der Bevölkerung Japans aus, allerdings haben sie oft keine konkrete Vorstellung davon, welche Schritte zu setzen sind, was auch daran liegt, dass es keine Hilfestellung durch zwischengeschaltete Organisationen wie etwa die Energieagenturen in Österreich gibt.

Welche Erkenntnisse, Ideen oder Projekte, die vielleicht auch in Japan funktionieren könnten, nahmen Sie mit nach Hause?

Die App „Ein guter Tag hat 100 Punkte“ halte ich für sehr nützlich. Allerdings wurde sie für Europa konzipiert und lässt sich nicht direkt übernehmen – aber etwas in diese Richtung hätte ich gern für Japan. Es ist spannend, die eigenen CO2-Emissionen mit den Paris-Zielen zu vergleichen. Man kann dadurch persönliche Einsparungspotenziale entdecken.

Auch das Projekt Klimafitter Garten ist eine tolle Idee – es verbindet Spaß am Gärtnern für Jung und Alt mit Wissen über die Klimazukunft, es steht für Klimaschutz und Klimawandelanpassung. Bei den in Japan gesetzten Adaptationsmaßnahmen werden die Bedingungen für die Entschärfung der Klimawandelfolgen meist nicht erfüllt. Darum gefällt mir diese Idee so gut.

Und umgekehrt, was könnte Österreich beim Klimaschutz von Japan lernen?

Schwer zu sagen – in Sachen Klimamaßnahmen ist uns Österreich weit voraus. Ich persönlich habe den Eindruck, dass es für die KEMs eine Herausforderung ist, die lokale Bevölkerung einzubinden. Japan hat 59 Klimaschutz-Förderzentren auf Ebene der Präfekturen, und in jedem Zentrum gibt es freiwillige Klimawandel-Aktionsbeauftragte, die Wissen über die Erderhitzung und örtliche Klimamaßnahmen vermitteln. Derzeit sind es rund 6.000 Aktionsbeauftragte, die an Schulen Vorträge halten, auf Umweltveranstaltungen präsent sind und bei den Menschen zu Hause Umweltdiagnosen erstellen. Eine Zusammenarbeit der KEMs mit solchen Freiwilligen würde ich mir sehr vielversprechend vorstellen.

Vielen Dank für das Interview.