Über die Gemeindegrenze hinaus denken

Claudia Rauner Website

KEM-Managerin im Porträt. Selbst in Klima- und Energie-Modellregionen endet der planerische Horizont manchmal an der Gemeindegrenze. Nicht so in der KEM GU-Süd. Claudia Rauner gelang es, die fünf Bürgermeister der KEM zu intensiver Zusammenarbeit zu bewegen – bei der Energieraumplanung, bei der Wärmeversorgung und bei der Mobilität.

„Wir haben in der KEM GU-Süd seit vielen Jahrzehnten einen massiven Zuzug. Das ist mit einem enormen Flächenverbrauch und einem steigenden Verkehrsaufkommen verbunden. Wir sind bestrebt ein ausgewogenes Verhältnis von der Flächennutzung für Energieversorgung, Wohnraum, Wirtschaft, Mobilität und Naherholungsgebiete aufrechtzuerhalten, um letztendlich die Lebensqualität von uns und unseren Nachkommen zu sichern“ erklärt Claudia Rauner. Also wagte sich die KEM-Managerin an ein heißes Eisen heran – an die gemeindeübergreifende Energieraumplanung.

Gemeinsam planen. In einem dreijährigen Prozess entwickelten die fünf KEM-Gemeinden Fernitz-Mellach, Gössendorf, Hart bei Graz, Hausmannstätten und Raaba-Grambach gemeinsam mit ihren Raumplaner:innen ein regionales Sachbereichskonzept. Dieses wird die weitere Siedlungsentwicklung massiv verändern. Künftig soll entlang der Mobilitätsachsen und der Fernwärmevorranggebiete gebaut werden. Die Ortszentren sollen – wo möglich – verdichtet und auf neue Streusiedlungen verzichtet werden.

„Meines Wissens nach ist dies das erste Mal in Österreich, dass ein Energieraumplanungskonzept über Gemeindegrenzen hinweg umgesetzt wird“, freut sich Rauner. Dafür gab es den Energy Globe STYRIA AWARD 2022 vom Land Steiermark und das sogenannte Goldene Ticket, also die automatische Nominierung für den nationalen Wettbewerb. Und das Konzept zeigt auch bereits Wirkung in der Praxis: Die Nahwärmenetze von Fernitz-Mellach und Hausmannstätten wachsen nun zusammen und konnten zahlreiche neue Kund:innen gewinnen.

Mehr Energieeffizienz. Seit zwei Jahren betreiben die fünf Gemeinden auch ein umfassendes Energiemanagement. Alle kommunalen Gebäude und Anlagen sowie die Straßenbeleuchtung wurden erfasst. „Jetzt können wir die Verbrauchsdaten vergleichen und sehen, wo und wie sich die Energieeffizienz weiter steigern lässt. Jede Gemeinde erhielt zwei Energieberatungen durch Expert:innen des Landes – und viele ihrer Empfehlungen wurden bereits umgesetzt“, erläutert Rauner. „Gleichzeitig wurden Flächen für neue Photovoltaikanlagen identifiziert.“

In Gössendorf wurde auf dem Dach der Volksschule eine neue PV-Anlage mit 39 kWp installiert. Hart bei Graz ergänzt die bestehende 10 kWp PV-Anlage auf dem Dach des Gemeindeamtes um einen 165-kWh-Speicher. In Hausmannstätten installierte man für die bestehende 10 kWp-PV-Anlage einen Speicher mit 55 kWh und zusätzliche 37,5 kWp Photovoltaik. Dadurch können die beiden Gemeindeämter den Ertrag der Sonnenkraftwerke besser nutzen – und auch im Falle eines Blackouts gäbe es Strom im Haus.

Bus, Bahn, Rad. Eine weitere Herzensangelegenheit ist der KEM-Managerin die klimafreundliche Mobilität, für die sie mit ihren Gemeinden ein ganzes Bündel an Maßnahmen ausgearbeitet hat. Ab Juli 2023 nimmt eine neue Buslinie ihren Betrieb auf und der Takt einer weiteren Linie wird verdichtet. In zwei Gemeinden fährt der Bus schon seit heuer öfter. In Raaba-Grambach stehen zwei E-Cars zum Ausleihen bereit, und die ÖBB planen in den nächsten Jahren einen zweigleisigen Ausbau. In Hart bei Graz wurde ein multimodaler Verkehrsknoten mit E-Car- und E-Bikeverleih eingerichtet. In Fernitz-Mellach befindet sich ein weiterer in Errichtung.

Vor drei Jahren begannen die Planungen für ein KEM-weites Radverkehrskonzept. Dazu wurde auch die Bevölkerung eingeladen, mit einem Fragebogen oder persönlich ihre Bedürfnisse und Anregungen einzubringen. Nun wird das fertige Konzept Schritt für Schritt umgesetzt.

Verhaltensalternativen. „Es geht darum, die Menschen zu einem klimafreundlicheren Mobilitätsverhalten durch Mischen von mehreren Mobilitätsangeboten einzuladen“, sagt Rauner. „Zum Beispiel mit dem Auto oder mit dem Rad ins Tal zu kommen und dort mit dem Bus weiterzufahren. Für die Räder gibt es an den multimodalen Knoten hochwertige Abstellanlagen.“ Manche Gemeinden vergeben Förderungen zur Anschaffung von E-Bikes und stellen Mobilitätsvorbilder in den Gemeindezeitungen vor. Heuer gab's in Fernitz-Mellach, Hart bei Graz und Hausmannstätten einen „E-Bike Kurs für Junggebliebene“. Das Mobilitätsfest am 17. September bot eine gute Gelegenheit, die Bevölkerung über all diese Maßnahmen zu informieren.

Auch in der Europäischen Mobilitätswoche ist die KEM GU-Süd höchst aktiv. 2020 erhielt sie sogar den österreichischen Mobilitätswochenpreis inklusive eines E-Bikes. Dieses sollte die KEM-Managerin verwenden, waren sich die Gemeinden einig. Doch dann bekam Rauner ihr neues, gebrauchtes Rennrad, von dem sie, wie sie selbst sagt, „kaum herunterzubringen“ ist  – und das E-Bike ist nun nacheinander bei allen KEM-Gemeinden als Dienstfahrzeug im Einsatz. Die meisten Nutzer:innen waren vom mühelosen Radeln begeistert und haben sich zum Teil bereits eigene E-Bikes angeschafft. Nun wurden neben elektrischen Nutzfahrzeugen auch E-Bikes in den kommunalen Fuhrpark  einiger Gemeinden aufgenommen.

Rauf aufs Rad. Claudia Rauner stammt aus Niederösterreich, ist in Kanada aufgewachsen und lebt mit Partner, Sohn, Hund und zwei Katzen in Fernitz-Mellach. Sie absolvierte das Bachelor-Studium Agrarwissenschaften an der Universität für Bodenkultur und studierte Nachhaltige Energiesysteme an der FH Burgenland in Pinkafeld. Zuvor lebte sie in Raaba-Grambach und war dort auch als Gemeinderätin tätig. In ihrer Freizeit geht sie gerne mit dem Hund spazieren oder setzt sich aufs Rennrad. „Ich bin schon immer Rad gefahren, seit ich das Rennrad habe, fahre ich nicht nur die meisten meiner Alltagswege mit dem Rad, sondern auch aus reiner Freude am Radfahren.“