Der Schatz aus der Tiefe

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Die Tiefengeothermie, ein wichtiger Baustein der Wärmewende, erfordert hohe Investitionskosten, verspricht jedoch nachhaltige Wärme für Generationen. In Bad Waltersdorf erkannte man das bereits Ende der 1970er-Jahre. Wien beginnt 2017 mit der Einspeisung geothermischer Energie in das Fernwärmenetz. Mit dem neuen Förderprogramm Tiefengeothermie unterstützt der Klima- und Energiefonds die Vorbereitung von Projekten zur wirtschaftlichen Nutzung der Tiefengeothermie.

Die Sonne stellt keine Rechnung, heißt es. Die Erdwärme auch nicht. Doch um an heißes Wasser aus zwei, drei und mehr Kilometern Tiefe zu gelangen, bedarf es Investitionen im zweistelligen Millionenbereich. Außerdem besteht die Gefahr, bei Bohrungen nicht fündig zu werden. Um Kosten und Risiko abzufedern, startete der Klima- und Energiefonds am 14. Februar das Förderprogramm Tiefengeothermie. Es unterstützt mit insgesamt bis zu zehn Millionen Euro standortspezifische Machbarkeits- und Vorstudien, Maßnahmen zur Exploration und Erkundung sowie Pilotbohrungen. Einreichschluss ist am 30. Juni 2024, 12 Uhr.

Blick zurück. Infolge der Ölkrise in den 1970er-Jahren wurde in Österreich vielerorts nach Erdöl und Erdgas gebohrt. Doch gar nicht so selten stieß man dabei auf eine andere Ressource, die schon Kelten, Griechen und Römer nutzten: Thermalwasser. Wie die antiken Völker dachten Österreichs Politiker:innen und Wirtschaftstreibende damals in erster Linie an das Badevergnügen und den Tourismus, weniger aber an die Nutzung der Wärme für Gebäudeheizungen und Industrie. Und so verfügt die Alpenrepublik heute über 40 Thermen, aber nur über zehn Anlagen zur Wärmeversorgung – sieben davon im oberösterreichischen Innviertel und drei in der Oststeiermark. Zwei Anlagen können auch zur Stromerzeugung genutzt werden.

Tiefengeothermische Nutzungen beginnt mehrere hundert Meter unter dem Erdboden. Das Molassebecken im Norden, das Steirische Becken im Südosten und das Wiener Becken bieten hierzulande die günstigsten Voraussetzungen für die hydrogeothermale Nutzung. Österreichs erste Anlage, die nicht nur Thermen beheizt, entstand 1977 in Bad Waltersdorf. 1981 nahm die „Fernheizung“ ihren Betrieb auf, an die alle Hotels und Schulen, der Kindergarten und weitere Gebäude angeschlossen sind.

Blick nach vorne. Heute sind die Potenziale der Tiefengeothermie für Raum- und Prozesswärme definitiv wieder von politischem und wirtschaftlichem Interesse, wie auch die vom Klima- und Energiefonds im Auftrag des BMK erstellte FTI-Roadmap Geothermie zeigt.

2016 startete mit GeoTief das aktuell größte Projekt im Bereich der Tiefengeothermie. In dem auch vom Klima- und Energiefonds unterstützten Projekt wurde in rund 3.000 Metern Tiefe ein vielversprechendes Heißwasservorkommen gefunden. deeep, ein Gemeinschaftsunternehmen von Wien Energie und OMV möchte 2027 in Aspern eine erste Anlage in Betrieb nehmen, die Fernwärme für 20.000 Haushalte liefern wird. In den 2030er-Jahren soll die Wärme aus der Tiefe dann für 200.000 Haushalte reichen. Bis 2040 verspricht Wien Energie, die Fernwärme gänzlich auf erneuerbare Energie umzustellen.

Blick nach unten. „Theoretisch birgt das Wiener Becken mehr Wärme in seiner Tiefe, als die Bundeshauptstadt benötigt“, meint Karl Weidlinger, Obmann des Vereins Geothermie Österreich. Er ist auch Geschäftsführer der im Jahr 2000 in Betrieb gegangenen GTS-Geothermie, die St. Martin und Ort im Innkreis mit jährlich 25 GWhth versorgt, und einer der Initiatoren der Geothermie Ried. Von einer künftigen geothermischen Vollversorgung ist in Wien freilich noch nicht die Rede.

In Ried im Innkreis wird die Tiefengeothermie seit 2014 für die Fernwärme genutzt. 2020 wurde die dritte Bohrung in Betrieb genommen. Seither betreibt die Energie Ried mit 21 MWth Österreichs größte Wärmeversorgung mit Geothermie. Und in Ried gibt es diese auch beinahe pur. „Wir haben in unserem Fernwärmenetz lediglich einen Anteil von rund 1,7 Prozent Erdgas im Einsatz, und das dient vorrangig zur Revisionsabdeckung. Also beste Verfügbarkeit von Ökowärme aus 2.600 Meter Tiefe mit 105 °C“, erläutert Friedrich Pöttinger, Geschäftsführer der Energie Ried. An weitere Bohrungen werde in Ried derzeit nicht gedacht, doch das Fernwärmenetz wird ständig weiter ausgebaut. Neben der Stadt Ried wird aus diesen Bohrungen auch das benachbarte eigenständige Fernwärmenetz der Gemeinde Mehrnbach beliefert. „Gelebte ökologische Zusammenarbeit zum Wohl der Umwelt und Menschen vor Ort“ ergänzt Pöttinger.

Oliver Bucher, Geschäftsführer der Geothermie Wärmegesellschaft Braunau-Simbach mbH (GBS), freut sich über die neue Förderung des Klima- und Energiefonds. Er hofft, dass diese auch nächstes Jahr wieder aufgelegt wird. Denn für sein Projekt kommt der Einreichschluss zu früh. Zu den bestehenden beiden Bohrungen im deutschen Simbach sind zwei weitere Bohrungen – sogenannte Zwillinge – auf österreichischer Seite geplant. „Während die geothermale Fernwärme in Simbach bereits sehr gut ausgebaut ist, haben wir in Braunau noch einiges Potenzial“, so Bucher. Im Mai sollen die Planungen abgeschlossen werden, danach folgen die Wasserrechts- und Bergrechtsverhandlungen.

Blickwinkel erweitern. Bislang lag der Fokus in der Tiefengeothermie auf Aquiferen, die über 90 °C heißes Wasser liefern und ohne Temperaturanhebung für Fernwärme genutzt werden können. „Aber auch der Mitteltemperaturbereich ab 60 °C reicht für Fernwärme, wenn Abnehmer:innen, die eine höhere Temperatur benötigen, mit Brauchwasserwärmepumpen ausgestattet werden“, erklärt Weidlinger. „Eine zentrale Wärmepumpe wäre eine weitere mögliche Lösung für den Mitteltemperaturbereich“, ergänzt Bucher. Welche Variante sinnvoller ist, hängt von den lokalen Gegebenheiten, vor allem von den Bedürfnissen der privaten oder industriellen Wärmekund:innen, ab.

Selbst Niedertemperaturnetze (auch Anergienetze genannt) mit Temperaturen unter 25 °C könnten maßgeblich zur Energiewende beitragen – nämlich als Wärmequelle für Sole-Wasser-Wärmepumpen, die bei niedrigen Außentemperaturen mit weit höherem Wirkungsgrad arbeiten als Luftwärmepumpen. Die zwei großen Vorteile dabei: Anergienetze können überall errichtet und auch zur Kühlung verwendet werden.

Weitere Informationen:

Förderprogramm Tiefengeothermie

Leitfaden zum Förderprogramm Tiefengeothermie

Geothermie Österreich

FTI-Roadmap Geothermie

GeoTief

Wien Energie/Tiefengeothermie