Raus aus dem Öl, rauf auf die Berge

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KEM-Manager im Porträt. Er erforschte Gletscher und die Klimabilanz des Wintertourismus im Alpbachtal. Jetzt möchte Rainer Unger ebendiesen Tourismus in der KEM Alpbachtal noch nachhaltiger gestalten – und hat bereits einige wesentliche Schritte gesetzt. Der größte Hebel zur CO2-Einsparung liegt im Bereich der Mobilität.

 

Im Juni begannen die Bauarbeiten zur ersten Mustersanierung in der KEM Alpbachtal*. Die Volksschule Brixlegg wird nach allen Regeln der Baukunst in eine rundum energieeffiziente und komfortable Bildungsstätte verwandelt. Der Heizwärmebedarf soll von 163 auf 15 kWh/m2a sinken. Eine Pelletsheizanlage ersetzt die Ölheizung, die Wärmedämmung erfolgt mit Steinwolle. Die neue LED-Beleuchtung wird durch eine tageslichtabhängige Steuerung ergänzt. Selbstverständlich kommen die VolksschülerInnen ab Februar 2020 auch in den Genuss einer Lüftungsanlage mit Wärme- und Feuchterückgewinnung. So wie die SchülerInnen in der NMS nebenan.

Nachhaltiges Schulzentrum. „Die Volksschule ist in ein Schulzentrum mit Kindergarten, NMS und PTS eingebunden. Die NMS Brixlegg wurde 2007 als erste Passivhausschule in Tirol errichtet“, erklärt KEM-Manager Rainer Unger. „Das gesamte Schulzentrum nimmt aller Voraussicht nach ab heuer im Herbst am Programm ‚Bildungsräume der Zukunft.Tirol.2030‘ teil. Darin geht es um nachhaltige Schulentwicklung im Sinn der 17 SDGs.“ Gemeinsam werden künftig auch eine E-Bike-Ladestation sowie die neue 42-kWp-Photovoltaik-Anlage auf der Volksschule genützt. Überschüsse, speziell in den Ferienzeiten, werden zur Beheizung des benachbarten öffentlichen Schwimmbads verwendet. Diesen Schwung im Schulzentrum möchte Unger nächstes Jahr auch für ein Klimaschulen-Projekt nützen.

„Wir haben in Reith im Alpbachtal mit der österreichweit aktiven Selina Photovoltaic GmbH einen höchst professionellen Anbieter von PV-Anlagen, der in der Region eine Reihe von betrieblichen Anlagen im Umfang von rund zwei MWp umgesetzt hat“, freut sich Unger. Allein die Montanwerke Brixlegg produzieren nun jährlich etwa 650 Megawattstunden Sonnenstrom. Mit einem Bürgerbeteiligungsprojekt möchte Unger demnächst auch private Investitionen in die Sonnenenergie ankurbeln.

Klimabilanz Tourismus. Bevor er im März 2017 KEM-Manager wurde, forschte Rainer Unger im Alpbachtal. Im Rahmen seiner Tätigkeit für die alpS GmbH untersuchte er die Auswirkungen des Wintertourismus auf das Klima. Dabei zeigte sich, dass in der Saison 2014/15 drei Viertel der Gäste mit dem Auto und 13 Prozent mit dem Flugzeug anreisten. „UrlauberInnen und Tagesgäste gemeinsam verursachen die meisten Treibhausgas-Emissionen nicht beim Skifahren, sondern zu 53 Prozent durch die Mobilität und zu einem Drittel durch die Beherbergung“, so Unger.

Nun möchte er an der Ausschreibung KEM Tourismus teilnehmen, in der der Klima- und Energiefonds eine Vorzeigeregion für klimafreundlichen Tourismus sucht und fördert. Denn seit 2014/15 ist viel geschehen. Im Bereich der Bergstation des Alpbacher Skigebiets wurde 2015 eine Photovoltaikanlage errichtet, die einen Schlepplift mit Strom versorgt. Eine Studie der Fachhochschule Kufstein ergab, dass diese Anlage auf dem Berg bis zu 30 Prozent mehr Strom liefert als eine baugleiche Anlage im Tal. Heuer erhoben Studierende der FH Kufstein, welche fassadenintegrierten PV-Module sich für den Einsatz auf den bestehenden Gebäuden im Skigebiet eignen würden. Die für 2020 geplante neue Liftanlage soll von Anfang an mit Photovoltaik ausgestattet werden.

Rad und Bus. Die Postbusse im Alpbachtal sind seit 2019 mit Fahrradträgern ausgerüstet – so kann man nun mit dem Rad ins Tal rauschen und kommt bequem zurück. Für Urlaubsgäste sind Bus, Eintritte und im Sommer auch der Lift gratis. Die Kosten dafür werden über die Kurtaxe gedeckt. Brixlegg und Kramsach beteiligen sich zudem an PRO-BYKE, einem Klimabündnisprogramm zur Förderung des Fahrradverkerkehrs in Gemeinden. Und wer sich in der Region ein elektrisches Mountainbike ausborgt, kann den Akku notfalls bei den meisten Berghütten tauschen.

Das Anfang 2018 gegründete E-Carsharing flo MOBIL in Brixlegg lief sehr gut an. Fast zu gut. Denn der Polizeiverband Brixlegg nutzte das Fahrzeug so intensiv, dass es für Privatleute kaum noch verfügbar war. „Daher haben wir für die Polizei einen gebrauchten Zoe angeschafft“, sagt Unger. Für die Bergdörfer im Alpbachtal setzt der KEM-Manager dagegen auf eine Kooperation mit der Mitfahrbörse ummadum. „Nach der Pilotregion Wattens/Imst werden wir die ersten sein, die Mobilitätspunkte verteilen und die Leute damit zum gemeinsamen Fahren anregen“, erläutert Unger. „Ende September geht's los.“ Gerade in Betrieb gegangen ist das neue Dorftaxi in der Gemeinde Kramsach, die sich 2019 der KEM Alpbachtal anschloss.

Game-based Learning. Mit dem Leitprojekt Energuido schickt Unger Jugendliche ab 13 seit Herbst 2018 auf „Schnitzeljagd“. Das GPS-basierte Abenteuerspiel führt sie zu verschiedenen Schauplätzen in der Region und veranschaulicht die Zusammenhänge zwischen Energie und Klima. Das Abenteuer wurde inhaltlich so konzipiert, dass es relativ einfach auch für andere KEMs mit anderen Schauplätzen adaptiert werden kann.

Eine Herausforderung stellt für den KEM-Manager das Thema Ölheizungen dar. Denn im Alpbachtal werden nach wie vor fast 50 Prozent der Gebäude mit Öl beheizt. Der Bauhof Brixlegg konnte bereits von Öl auf Pellets umgestellt werden, die NMS Alpbach folgt noch heuer, und in Inneralpbach ist ein Biomasseheizwerk für mehrere Hotels und Privatgebäude geplant. Im Mai veranstaltete Unger Aktionstage zu den Themen Bauen, Sanieren und Energie. „Wir diskutieren in der Region derzeit eine On-Top-Förderung für die Umrüstung von Ölheizungen“, erklärt Unger. Dieses Thema – und weitere Pläne für die nächsten fünf bis zehn Jahre – hat Unger auch intensiv mit VertreterInnen von Fridays For Future und den Alpbacher GemeinderätInnen im Rahmen des diesjährigen Forum Alpbach diskutiert.

Gletscher ade. Rainer Unger stammt aus Schwaz in Tirol und studierte an der Universität Wien Geographie mit den Fachgebieten Geoinformation, Geomorphologie und Umweltänderungen. Bevor er nach Schwaz zurückkehrte, beschäftigte sich Unger mehrere Jahre mit der Gletscherfoschung an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik. „In 50 Jahren werden die österreichischen Gletscher weitgehend verschwunden sein“, ist er sich sicher. Wieder in Tirol, waren seine Forschungsthemen Energie und Tourismus.

In seiner Freizeit betreibt der Vater eines elfjährigen Sohns und einer fünfeinhalbjährigen Tochter viel Sport. Nachdem sich seine Lieblingssportart, das Wellenreiten, in Tirol nicht ausüben lässt, hat sich Unger auf das Trailrunning verlegt. Auf Deutsch: Er rennt rund 70 Kilometer bergauf und bergab. Die Kondition dafür holt er sich auf seinem Arbeitsweg mit dem Rennrad. Im Winter schnallt er gerne die Langlauf- oder die Tourenskier an. Sollte er jedoch die Ausschreibung „KEM Tourismus“ gewinnen, dann schnallt er erst mal ab.

 

* Die KEM Alpbachtal umfasst die Gemeinden Alpbach, Brixlegg, Reith im Alpbachtal und Kramsach.